Shining
unten bei ihm war etwas. Irgendein schreckliches Ding, das sich das Overlook für genau diese Gelegenheit aufgespart hatte. Vielleicht eine riesige Spinne, die sich unter dem toten Laub vergraben hatte, oder eine Ratte … oder vielleicht die Leiche eines kleinen Kindes, das hier auf dem Spielplatz gestorben war. War das je geschehen? Ja, das war schon möglich. Er dachte an die Frau in der Wanne. Das Blut und das Gehirn an der Wand der Präsidentensuite. Die Leiche irgendeines kleinen Kindes, das sich den Schädel gebrochen hatte, als es von einer Kletterstange oder einer Schaukel fiel, und das ihm jetzt in der Dunkelheit grinsend hinterher kroch und einen letzten Spielgefährten für seinen ewigen Spielplatz suchte. Für immer. Gleich würde er es kommen hören.
Am entfernten Ende der Betonröhre hörte Danny das leise Rascheln toter Blätter, als sich etwas auf Händen und Knien auf ihn zu bewegte. Jeden Augenblick würden sich seine kalten Hände um seine Fußgelenke schließen -
Dieser Gedanke löste seine Lähmung. Er wühlte im lockeren Schnee, der den Eingang des Betonrings blockiert hatte, und schleuderte ihn zwischen den Beinen nach hinten, wie ein Hund, der nach einem Knochen gräbt. Blaues Licht fiel von oben herein, und Danny schoss nach oben wie ein Taucher aus tiefem Wasser. Er stieß sich den Rücken an der Kante des Betonrings. Einer seiner Schneeschuhe hatte sich mit dem anderen verhakt. Schnee ergoss sich in seine Skimaske und in den Kragen seines Parka. Er grub und wühlte sich durch den Schnee. Es schien ihn festhalten zu wollen, ihn nach unten zurückzusaugen, zurück in den Betontunnel, wo das unsichtbare, laubraschelnde Ding war, das ihn dort festhalten wollte. Für immer.
Dann war er draußen, das Gesicht der Sonne zugewandt, und er kroch durch den Schnee, kroch fort von dem halb begrabenen Betonring. Er keuchte rau, und sein schneebedecktes Gesicht sah fast komisch aus – eine lebende Maske der Angst. Er humpelte zum Kletterbaum und setzte sich, um seine Schneeschuhe wieder festzuschnallen und Atem zu schöpfen. Während er die Riemen anzog, starrte er unverwandt zur Öffnung am Ende der Betonröhre hinüber. Er wollte sehen, ob etwas herauskam. Aber es kam nichts, und nach drei oder vier Minuten atmete Danny wieder ruhiger. Was es auch sein mochte, es konnte offenbar das Sonnenlicht nicht vertragen. Es war dort unten eingesperrt und kam vielleicht nur bei Dunkelheit heraus … oder wenn beide Enden seines röhrenförmigen Gefängnisses von Schnee verstopft waren.
(Aber ich bin jetzt in Sicherheit, ich bin in Sicherheit, und ich gehe einfach zurück.)
Hinter ihm schlug etwas leise auf. Er drehte sich um und schaute zum Hotel hinauf. Aber schon bevor er hinsah,
(Siehst du die Indianer auf dem Bild?)
wusste er, was er sehen würde, denn er kannte dieses Geräusch. So hörte es sich an, wenn eine Lawine vom Hoteldach krachte.
(Siehst du –? )
Ja. Er sah es. Der Schnee war vom Heckenhund herabgefallen. Als Danny herunterkam, war der Hund nur ein harmloser Schneehaufen vor dem Spielplatz gewesen. Jetzt hatte er die Schneedecke abgeworfen und war ein störender grüner Fleck in all dem Weiß. Er hatte sich auf den Hinterpfoten aufgerichtet, als ob er um einen Bissen bettelte.
Aber diesmal wollte Danny sich nicht verrückt machen lassen. Er würde die Ruhe bewahren. Denn jetzt steckte er wenigstens nicht in irgendeinem dunklen Loch. Er war in der Sonne. Und es war nur ein Hund. Es ist ziemlich warm heute, dachte er voll Hoffnung. Vielleicht hatte die Sonne ganz einfach soviel Schnee von dem alten Hund abgetaut, dass der Rest in einem Stück hinuntergefallen war. Mehr war vielleicht gar nicht geschehen.
(Geh nicht dort hin … halt dich da weg.)
Die Bindungen seiner Schneeschuhe waren so fest angezogen wie es nur ging. Er stand auf und starrte zur Betonröhre zurück, die fast völlig von Schnee bedeckt war, und was er dort, wo er herausgekrochen war, sah, ließ ihm das Herz gefrieren. Er sah ein kreisrundes Stück Dunkelheit, einen schwarzen Schatten, der das Loch markierte, das er gegraben hatte, um hineinzukommen. Jetzt glaubte er, dort trotz des gleißend hellen Schnees etwas zu erkennen. Etwas bewegte sich. Eine Hand. Die winkende Hand eines verzweifelt unglücklichen Kindes, eine winkende Hand, eine bittende Hand, die Hand eines Ertrinkenden.
(Rette mich, oh bitte, rette mich. Und wenn du mich nicht retten kannst, dann komm wenigstens und spiel mit mir … Für immer. Und immer.
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