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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vorgehaltener Hand über ihn gelacht? Hatte sie ihm die Zunge herausgestreckt? Mit den Fingern obszöne Gesten gemacht? Oder hatte sie ihn nur frech und arrogant angestarrt, weil sie glaubte, er sei zu besoffen, um es zu bemerken? Was immer es gewesen war, Daddy hatte sie dabei ertappt, und er hatte sie streng gezüchtigt. Und erst jetzt, zwanzig Jahre später, wusste er Daddys Weisheit zu würdigen.
    Man konnte natürlich sagen, dass Daddy ein Narr gewesen war, eine solche Frau zu heiraten, sich an diese Leiche ketten zu lassen … noch dazu eine respektlose Leiche. Aber wenn junge Leute übereilt heiraten, müssen sie eben lange bereuen. Und vielleicht hatte schon Daddys Daddy einen ähnlichem Typ geheiratet, so dass es der Sohn unbewußt auch getan hatte, und genauso war es dann Jack ergangen. Außer dass seine Frau sich nicht mit der passiven Rolle zufriedengegeben hatte, eine Karriere zu zerstören und eine weitere stark zu beeinträchtigen, sondern nun auch noch den bösartigen Vorsatz gefasst hatte, aktiv seine letzte und beste Chance kaputtzumachen: Angestellter des Overlook zu werden und möglicherweise eines Tages … bis zum Manager aufzusteigen. Sie versuchte, ihm Danny zu nehmen, und Danny war seine Eintrittskarte. Das war natürlich albern – denn warum sollten sie den Sohn haben wollen, wenn sie den Vater bekommen konnten? – aber Arbeitgeber hatten oft seltsame Vorstellungen, und diese Bedingung war nun einmal gestellt worden.
    Sie war seinen Argumenten nicht zugänglich, das sah er jetzt ein. Er hatte versucht, in der Colorado Lounge mit ihr zu reden, aber sie hatte ihn nicht anhören wollen. Für all seine Mühe hatte sie ihm sogar eine Flasche über den Kopf geschlagen. Aber es würde ein zweites Mal geben, und das bald. Er würde hier rauskommen.
    Plötzlich hielt er den Atem an und legte den Kopf schief. Irgendwo wurde auf einem Klavier Boogie-Woogie gespielt, und irgendwelche Leute lachten und klatschten. Die Geräusche wurden durch die schwere Eichentür gedämpft, aber sie waren deutlich hörbar. Das Lied hieß »There’ll Be a Hot Time in the Old Town Tonight«.
    Hilflos ballte er die Hände zu Fäusten; er widerstand dem Impuls, gegen die Tür zu trommeln. Die Party hatte wieder begonnen. Der Alkohol würde in Strömen fließen. Die Frau, die sich unter ihrem weißen Seidenkleid so erregend nackt angefühlt hatte, tanzte jetzt mit einem anderen.
    »Das werdet ihr mir büßen!« heulte er. »Verdammt, ihr zwei, das werdet ihr büßen! Dafür werde ich euch eine gottverdammte Medizin verabreichen, das verspreche ich euch! Ihr –«
    »Aber ich bitte Sie«, sagte eine freundliche Stimme genau vor der Tür.
    »Sie brauchen nicht so zu brüllen. Ich höre Sie sehr gut.« Jack taumelte auf die Füße.
    »Grady? Sind Sie das?«
    »Yes, Sir. In der Tat. Man scheint Sie eingesperrt zu haben.«
    »Lassen Sie mich raus, Grady. Schnell.«
    »Ich sehe schon, dass Sie sich kaum um die Angelegenheit gekümmert haben können, die wir diskutiert haben, die Züchtigung Ihrer Frau und Ihres Sohnes.«
    »Sie sind es ja, die mich eingesperrt haben. Um Himmels Willen, ziehen Sie den Riegel weg!«
    »Sie haben sich von ihnen einsperren lassen?« Gradys Stimme verriet gepflegtes Erstaunen. »Oh je. Eine Frau, die halb so groß ist wie Sie, und ein kleiner Junge? Das lässt kaum darauf schließen, dass Sie aus dem Holz geschnitzt sind, aus dem man Spitzenmanager macht, finden Sie nicht auch?«
    In Jacks rechter Schläfe wurde der Puls fühlbar. »Lassen Sie mich raus, Grady. Ich werde mich schon um die beiden kümmern.«
    »Werden Sie das wirklich, Sir?« Sein gepflegtes Erstaunen machte einem gepflegten Bedauern Platz. »Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass ich das bezweifle. Ich – und andere – sind zu der Überzeugung gelangt, dass Sie nicht mit dem Herzen dabei sind, Sir. Dass Sie nicht … das Zeug dazu haben.«
    »Das habe ich!« schrie Jack. »Das habe ich. Ich schwöre es!«
    »Sie würden uns Ihren Sohn bringen?«
    »Ja! Ja!«
    »Ihre Frau würde dagegen sehr viel einzuwenden haben, Mr. Torrance. Und es scheint, dass … sie etwas stärker ist, als wir dachten, sich ein wenig besser zu helfen weiß. Sie hat Sie jedenfalls hereingelegt.« Grady kicherte. »Vielleicht, Mr. Torrance, hätten wir uns ihrer schon viel früher annehmen sollen.«
    »Ich werde ihn bringen, das schwöre ich«, sagte Jack. Er hielt das Gesicht nahe an die Tür. Er schwitzte. »Sie wird nichts dagegen haben, auch das

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