Shining
langen Tages.
Sie saßen auf dem großen Bett in ihrer Wohnung. Wie unter einem Zwang drehte Danny das purpurne VW -Modell, aus dessen Dach das Ungeheuer herausschaute, in den Händen.
Durch das ganze Foyer hatten sie Daddy immer wieder gegen die Tür trommeln hören, und mit heiserer, böser Stimme hatte er ihnen Strafe angedroht, sie mit Gemeinheiten überschüttet und ihnen hoch und heilig versprochen, dass sie es noch bedauern würden, ihn verraten zu haben, wo er doch jahrelang für sie geschuftet hatte.
Danny glaubte, dass sie es oben nicht so hören würden, aber das Wutgeschrei seines Daddys drang deutlich durch den Schacht des Speiseaufzugs nach oben. Mommy war entsetzlich blass, und sie hatte hässliche braune Druckstellen am Hals, wo Daddy versucht hatte …
Wieder drehte er das Modell um, das Geschenk von Daddy, weil er so schnell lesen gelernt hatte.
(… wo Daddy versucht hatte, sie zu fest zu umarmen.)
Mommy legte eine Scheibe auf ihren kleinen Plattenspieler. Ein wenig zerkratzt klang die Platte, und man hörte Flöten und Hörner. Müde lächelte sie ihn an. Er versuchte, zurückzulächeln, aber das misslang. Selbst wenn die Musik ganz laut eingestellt war, glaubte er, Daddy immer noch toben und an der Tür rütteln zu hören wie ein Tier in einem Zookäfig. Was war, wenn Daddy ins Bad musste? Was würde er dann tun?
Danny fing an zu weinen.
Wendy drehte sofort die Musik leiser, nahm ihn auf den Schoß und wiegte ihn.
»Danny, Liebling, es wird schon alles gut werden. Bestimmt. Wenn Mr. Hallorann deine Botschaft nicht bekommen hat, dann kommt vielleicht jemand anders. Wenn der Sturm vorbei ist. Vorher kann niemand heraufkommen, weder Mr. Hallorann noch sonst jemand. Aber wenn der Sturm erst vorbei ist, wird alles wieder gut sein. Wir gehen weg von hier, und weißt du, was wir im nächsten Frühling machen? Wir drei?«
Danny schüttelte den Kopf. Er wusste es nicht. Ihm schien es, dass es niemals wieder einen Frühling geben würde.
»Wir werden angeln fahren. Wir mieten uns ein Boot und fahren angeln. Genau wie letztes Jahr auf dem Chatterton-See. Du und ich und dein Daddy. Und vielleicht fängst du dann einen Barsch für unser Abendessen. Auch wenn wir nichts fangen, Spaß werden wir ganz bestimmt haben.«
»Ich hab’ dich lieb, Mommy«, sagte er und drückte sie.
»Oh Danny, ich dich auch.«
Draußen heulte und stöhnte der Wind.
*
Um etwa sechzehn Uhr dreißig, gerade als die Dämmerung einsetzte, hörte das Schreien unten auf.
Sie hatten beide unruhig geschlafen. Wendy hielt Danny immer noch im Arm. Sie schlief noch, aber Danny war wach. Irgendwie war die Stille schlimmer und beklemmender als das Gebrüll und das Trommeln gegen die Tür des Vorratsraums. Schlief Daddy wieder? Oder war er tot? Oder was?
(War er herausgekommen?)
Fünfzehn Minuten später wurde die Stille durch ein hartes, knirschendes metallisches Rasseln unterbrochen. Es gab ein mahlendes Geräusch, dann ein mechanisches Summen. Wendy wurde mit einem Aufschrei wach.
Der Fahrstuhl fuhr wieder.
Sie lauschten und rückten noch näher zusammen. Er fuhr von Stockwerk zu Stockwerk. Das Gitter rasselte zurück, die Messingtüren wurden geräuschvoll aufgerissen, und man hörte Gelächter, Rufe von Angetrunkenen, gelegentliche Schreie und das Geräusch von zerbrechendem Glas.
Um sie herum wurde es im Overlook wieder lebendig.
48
JACK
Er saß im Vorratsraum auf dem Fußboden und hatte die Beine vor sich ausgestreckt. Zwischen ihnen hatte er eine Schachtel Crackers stehen, von denen er einen nach dem anderen aß, ohne dass ihn der Geschmack interessierte. Er aß sie nur, weil er irgend etwas essen musste. Wenn er hier rauskam, brauchte er seine Kraft. Seine ganze Kraft.
In genau diesem Augenblick dachte er daran, dass er sich noch nie in seinem ganzen Leben so elend gefühlt hatte. Sein Geist und sein Körper präsentierten ihm eine lange Liste von Schmerzen. Sein Kopf tat entsetzlich weh, das übliche dumpfe Pochen nach einem schweren Besäufnis. Auch die dazugehörigen Symptome waren vorhanden: im Mund hatte er einen Geschmack, als hätte man ihm einen Mistrechen durchgezogen, in seinen Ohren dröhnte es, sein Herz vollführte lauter Trommelwirbel. Außerdem hatte er starke Schmerzen in den Schultern, weil er sich so oft gegen die Tür geworfen hatte. Seine Kehle war vom nutzlosen Brüllen rau und wund. An der Sperrklinke hatte er sich die rechte Hand blutig gerissen.
Wenn er hier herauskam, musste
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