Shining
Ich denke nicht daran, mich für die Legalisierung des Glücksspiels in Colorado einzusetzen. Das wäre in den Wind gespuckt.«
Wenn das Overlook offiziell öffnet (nach Beendigung der Renovierungsarbeiten fand dort vor einiger Zeit eine gigantische und ungeheuer erfolgreiche Party statt), werden die völlig neu ausgestatteten Räumlichkeiten ein Star-Aufgebot an Gästen beherbergen, angefangen bei dem Couturier Corbat Stani und …
Jack lächelte und blätterte weiter. Auf der übernächsten Seite dann ein Artikel über Derwent selbst. Er war ein Mann mit schütterem Haar, und seine Augen durchbohrten einen selbst noch von einem Zeitungsphoto aus. Er trug eine randlose Brille und einen Oberlippenbart im Stil der Vierziger, aber er sah trotzdem nicht wie Errol Flynn aus. Er hatte das Gesicht eines Buchhalters. Nur seine Augen ließen ihn als etwas anderes erscheinen.
Rasch überflog Jack den Artikel. Die meisten Informationen kannte er schon aus einer Newsweek -Story über Derwent aus dem vorigen Jahr. Als Sohn armer Eltern in St. Paul geboren, brach er die höhere Schule ab und ging zur Marine. Er stieg rasch auf und quitterte den Dienst nach einem erbitterten Streit wegen des Patents für einen neuen Propellertyp, den er entworfen hatte. Dieses Tauziehen zwischen der Marine und einem unbekannten jungen Mann namens Horace Derwent gewann, wie vorauszusehen, Uncle Sam. Aber Uncle Sam hat von ihm nie wieder ein Patent bekommen, und es hat noch viele gegeben.
In den späten Zwanzigern und frühen Dreißigern wandte sich Derwent der Luftfahrt zu. Er kaufte eine bankrotte Fluggesellschaft, deren Maschinen hauptsächlich in der Schädlingsbekämpfung eingesetzt waren, verwandelte sie in einen Paketbeförderungs-Service und hatte Erfolg. Weitere Patente folgten: eine neue Tragflächenkonstruktion für Eindecker, eine Bombenaufhängevorrichtung, die in den Fliegenden Festungen verwendet wurde, die Feuer auf Hamburg, Dresden und Berlin niederregnen ließen, ein alkoholgekühltes Maschinengewehr, und den Prototyp des später in amerikanischen Düsenmaschinen benutzten Schleudersitzes.
Und der Buchhalter, der mit dem Erfinder in einer Haut steckte, betrieb ständig weitere Investitionen. Eine unbedeutende Kette von Munitionsfabriken in New York und New Jersey. Fünf Textilfabriken in New England. Chemische Fabriken im bankrotten und daniederliegenden Süden. Am Ende der Weltwirtschaftskrise hatte sein Vermögen lediglich aus einer Handvoll für lächerlich wenig Geld erworbenen Mehrheitsbeteiligungen bestanden, die man höchstens für noch weniger Geld hätte verkaufen können. Einmal brüstete sich Derwent damit, dass er bei einer Totalliquidation den Preis eines drei Jahre alten Chevrolets erzielen würde.
Es hatte, wie Jack sich erinnerte, Gerüchte gegeben, nach denen einige der Mittel, die Derwent anwendete, um sich über Wasser zu halten, alles andere als appetitlich gewesen waren. Beteiligung am Alkoholschmuggel. Prostitution im Mittleren Westen. Schmuggel in den Küstengebieten des Südens, wo seine Düngerfabriken lagen. Endlich Verbindungen zu den im Westen aufblühenden Glücksspielgeschäften.
Derwents berühmteste Investition war wahrscheinlich der Kauf der maroden Top Mark Studios, die keinen Hit mehr gelandet hatten, seit ihr Kinderstar, die kleine Margery Morris, 1934 an einer Überdosis Heroin gestorben war. Sie war damals vierzehn. Klein-Margery war auf niedliche Siebenjährige spezialisiert, die nicht nur Ehen retteten, sondern auch zu Unrecht des Kükenmords verdächtigten Hunden aus der Klemme halfen. Top Mark richtete für sie die prunkvollste Beerdigung in der Geschichte Hollywoods aus – die offizielle Lesart war, Klein -Margery habe sich anlässlich eines Auftritts in einem New Yorker Waisenhaus eine »zehrende Krankheit« zugezogen –, und einige Zyniker meinten, das Studio habe wohl nur deshalb solchen Aufwand getrieben, weil es wusste, dass es sich selbst beerdigte.
Derwent heuerte einen gerissenen Geschäftsmann und wütenden Sexomanen namens Henry Finkel an, der Top Mark leiten sollte, und in den zwei Jahren vor Pearl Harbor drehte das Studio sechzig Filme, darunter fünf Lehrfilme für die Regierung. Die Spielfilme waren gewaltige Erfolge. In einem der letzteren hatte ein Kostüm-Designer für die Hauptdarstellerin einen trägerlosen BH konstruiert, den sie während der großen Ballszene tragen sollte, und in der sie alles zeigte, außer vielleicht dem Muttermal zwischen ihren
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