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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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können. Unglückliches Familienleben, eine blühende Phantasie und ein unsichtbarer Freund, der für ihn so wirklich war, dass er auch Ihnen fast als Realität erschien. Statt aus seiner kindlichen Schizophrenie ›herauszuwachsen‹, hätte er leicht in sie hineinwachsen können.«
    »Und wäre vielleicht autistisch geworden?« fragte Wendy. Sie hatte über Autismus gelesen. Das Wort schon machte ihr Angst; es hörte sich an wie Grauen und leeres Schweigen.
    »Nicht unbedingt. Vielleicht wäre er ganz einfach in Tonys Welt eingedrungen und nie zu dem zurückgekehrt, was er die wirklichen Dinge‹ nennt.«
    »Mein Gott«, sagte Jack.
    »Aber inzwischen hat sich die Ausgangslage drastisch geändert. Mr. Torrance trinkt nicht mehr. Sie leben an einem Ort, wo die Bedingungen Sie alle drei in eine engere Familiengemeinschaft zwingen als je zuvor – gewiss enger als es bei mir der Fall ist, denn ich sehe Frau und Kinder höchstens zwei oder drei Stunden am Tag. Soweit ich sehe, kann die gegenwärtige Situation seine Heilung nur begünstigen. Und allein die Tatsache, dass er so klar zwischen Tonys Welt und den wirklichen Dingen‹ unterscheidet, sagt viel über seinen im Grunde gesunden Geisteszustand aus. Er sagt, dass Sie beide eine Scheidung nicht mehr in Betracht ziehen. Hat er damit so recht, wie es wünschenswert wäre?«
    »Ja«, sagte Wendy, und Jack drückte ihr fast schmerzhaft die Hand. Edmonds nickte. »Er braucht Tony eigentlich nicht mehr. Danny ist im Begriff, ihn auszustoßen. Tony bringt keine angenehmen Visionen mehr sondern tückische Alpträume, die Danny so sehr ängstigen, dass er sich ihrer nur bruchstückartig erinnert. In einer schwierigen – verzweifelten – Lebenssituation hat er Tony verinnerlicht, und Tony ist nicht leicht abzuschütteln. Ihr Sohn ist ein wenig wie ein Junkie, der sich von seiner Sucht freimacht.«
    Er stand auf, und auch Wendy und Jack erhoben sich.
    »Wie gesagt, ich bin kein Psychiater. Sollten die Alpträume noch auftreten, wenn im nächsten Frühjahr Ihre Arbeit im Overlook beendet ist, Mr. Torrance, rate ich Ihnen dringend, mit ihm den Psychiater in Boulder aufzusuchen.«
    »Das werde ich tun.«
    »Gut. Dann lassen Sie uns hinausgehen und ihm sagen, dass er nach Hause darf.«
    »Ich möchte Ihnen danken«, sagte Jack leise. »Ich habe in dieser Angelegenheit jetzt ein besseres Gefühl als vorher.«
    »Ich auch«, sagte Wendy.
    An der Tür blieb Edmonds stehen und sah Wendy an. »Haben oder hatten Sie eine Schwester, die Aileen heißt, Mrs. Torrance?«
    Wendy sah ihn überrascht an. »Ja. Sie wurde vor unserem Haus in Somersworth, New Hampshire, von einem Auto angefahren und starb. Sie war damals sechs und ich zehn. Sie war einem Ball auf die Straße nachgerannt und wurde von einem Lieferwagen überfahren.«
    »Weiß Danny das?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Er sagt, dass Sie im Wartezimmer an sie gedacht haben.«
    »Das habe ich auch getan«, sagte Wendy langsam. »Zum ersten Mal seit … ach, ich weiß nicht wie lange.«
    »Sagt Ihnen das Wort Drom etwas?«
    Wendy schüttelte den Kopf, aber Jack sagte: »Er hat das Wort gestern Abend erwähnt, kurz bevor er einschlief. Rom.«
    »Nein, Drom«, korrigierte Edmonds. »Er hat Drom gesagt.« Jack zuckte die Achseln.
    »Das Wort sagt Ihnen also nichts?« Sie schüttelten beide den Kopf.
    »Ist wohl auch unwichtig«, sagte Edmonds und öffnete die Tür zum Wartezimmer. Danny saß an dem kleinen Tisch und hatte ein Buch vor sich liegen. Halblaut murmelte er die Worte, die er kannte.
    »Ist hier jemand, der Danny Torrance heißt und gern nach Hause möchte?« fragte Edmonds.
    Danny sprang auf und rannte zu Jack, der ihn auf den Arm nahm. Wendy fuhr ihm durchs Haar.
    Edmonds sah ihn an und sagte: »Wenn du Mommy und Daddy nicht mehr lieb hast, darfst du beim alten Bill bleiben.«
    »No, Sir«, sagte Danny mit Nachdruck. Er schlang einen Arm um Jacks, den anderen um Wendys Hals und sah strahlend glücklich aus.
    »Okay«, sagte Edmonds. Er schaute Wendy an. »Rufen Sie mich an, wenn Sie Probleme haben.«
    »Ja.«
    »Aber ich denke, es wird sich erübrigen«, sagte Edmonds lächelnd.

 
18
     
    DIE SAMMELMAPPE
     
    Jack fand die Sammelmappe am ersten November, während seine Frau und sein Sohn den ausgefahrenen alten Weg hinaufgegangen waren, der von der Roque-Anlage zu einer zwei Meilen weiter oben gelegenen verlassenen Sägemühle führte. Das Wetter hatte sich gehalten, und sie hatten sich alle drei eine unwahrscheinliche

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