Short Stories - Sammelband 5-faches Lesevergnuegen
kennen mich doch gar nicht, noch nicht einmal meinen Namen.“ Er nicht mir zu. „Das ist ein Mangel, der sich leicht beheben lässt.“
Förmlich, mit einer gewissen Arroganz, streckt er mir seine rechte Hand entgegen. „Jonas.“ So merkwürdig die ganze Situation auch ist, ich kann nicht anders. Möglichst selbstsicher reiche ich ihm ebenfalls meine Hand. „Patricia.“ Die ganze Situation ist schon sehr merkwürdig, also, beherzt füge ich meinem Namen noch hinzu: „Mit einer Schwäche für Zuckerwatte ...“
Die Wege des Schicksals sind unergründlich, eben bin ich noch mit meiner Freundin verabredet, um uns zwanzig Jahre zurückzuversetzen. Und fünf Minuten später bin ich mit Mister Hot zu einer Zuckerwatte verabredet. Warum er mich begleiten möchte, kann ich zwar nicht nachvollziehen.
Doch was soll`s. Vielleicht hält er mich ja für eine Verrückte, die nicht alleine unterwegs sein sollte. Oder, was aber nach meinem merkwürdigen Verhalten von eben eher unwahrscheinlich ist. Er hat tatsächlich Interesse an mir gefunden. Was auch immer der wahre Grund für sein Verhalten ist, ich bin happy. Schnell zücke ich mein Handy und tippe Anne eine SMS. Wahrscheinlich wird sie zunächst sauer auf mich sein, doch wenn ich ihr morgen den Grund für meine Unpässlichkeit erkläre, ist bestimmt alles verziehen. Jonas geht neben mir, hält mir ganz gentlemanlike die Tür auf, führt mich in den dunklen Herbstabend. Ganz selbstverständlich wende ich mich Richtung Straßenbahnstation. Doch mein fremder Begleiter führt mich zu einem silbernen Porsche, der direkt vor dem großen Hochhaus, in dem sich unsere Werbeagentur befindet, im Halteverbot steht. Die Selbstsicherheit, die natürliche Autorität, die er ausstrahlt, zieht mich in seinen Bann, wie das Licht die Mücke. Hoffentlich ergeht es mir besser und ich verbrenne mir nicht die Flügel.
Die weichen Ledersitze fühlen sich himmlisch an, schnurrend erwacht das Auto zum Leben. Während von Milky Chance der Song Stolen Dance läuft, fährt uns Jonas selbstsicher und gekonnt Richtung Volksfest. Was für ein merkwürdiger Abend.
3. Kapitel
Süße, klebende Lippen ...
Bunte blinkende Lichter, Clowns und Pantomime, im Gewirr der verschiedenen Songs. Ich liebe es, es ist, als würde die Welt vor dem Volksfest warten, die alltäglichen Probleme, Sorgen und Hemmungen fallen von einem ab. Offen für alles und beschwingt genieße ich die Stimmung. Mittlerweile ist es zwanzig Uhr, ein lauer Herbstwind lässt die farbigen Blätter unter unseren Füßen rascheln. Der Geruch nach Herbst und gebrannten Mandeln liegt in der Luft. Jonas beobachtet mich, erfreut sich mit mir an den Attraktionen, doch insgeheim denke ich, erfreut er sich an meinen Reaktionen. Lebensfreude und Begeisterung scheint er nicht zu kennen oder er ist einfach nicht gewohnt, dass jemand sein Herz auf der Zunge trägt. Fremd und doch so vertraut genießen wir die Zeit unter all den anderen fremden Menschen. „Patricia, die Nacht ist lang, was möchtest du zuerst machen?“ Versonnen schließe ich meine Augen, höre auf die Geräusche, sauge den Mix der verschiedenen Aromen tief ein.
Die traurige Melodie des Riesenrades lockt mich, flüstert mir zu, mit ihm in die Wolken zu fliegen. „Das Riesenrad, ich möchte zum Riesenrad.“
„ Dein Wunsch wird erfüllt, lass uns vorher noch schnell die Zuckerwatte besorgen.“ Zustimmend nicke ich, hake mich bei ihm unter, vergesse die Distanz. Es ist wie ein Déjà-vu, vertraut von Anfang an. Das Kribbeln im Bauch fühlt sich an wie tausend kleine Marienkäfer. Mein Herz schlägt einen Takt schneller, während Glückshormone meinen Körper berauschen. Ich will nicht darüber nachdenken, ich will nicht wissen, ob es richtig oder falsch ist? Gefährlich oder sicher? Fremd oder vertraut?
Mein Gefühl sagt mir, das unsere Begegnung richtig ist, dass es gut ist, so wie es ist. Und das ewig anstehende Morgen? Das ist, auch wenn ich mir keine Sorgen mache, mit den ersten Sonnenstrahlen wieder da. „Hier Zaubermaus, deine Zuckerwatte.“ Ehrfürchtig, als wären es hundert rote Rosen, überreicht er mir meine ersehnte Zuckerwatte. „Danke, und jetzt lass uns zum Riesenrad, es sei denn, du hast Höhenangst?“ Unsere Blicke treffen sich, verlaufen in den tiefen des anderen. Langsam glaube ich, dass ich verrückt bin. Es ist nicht real, genau genommen ist die Situation ambivalent. Und doch stehe ich hier – mit ihm und meiner Zuckerwatte in
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