Short Stories - Sammelband 5-faches Lesevergnuegen
hätte kommenlassen.
In Gedanken gehe ich meine To-do-Liste durch. Wäschewaschen, Fensterputzen und die Präsentation für das Meeting nächste Woche überarbeiten. Der Gedanke, dass ich jetzt in genau diesem Moment Wäschewaschen könnte, lässt mich aufseufzen. Der stöhnende Mann auf mir nimmt das als genüssliche Zustimmung für sein Tun. Mir soll es recht sein, wenn es dieses Trauerspiel der menschlichen Fortpflanzung um ein paar kostbare Momente meines Lebens verkürzt. Wie gerne wäre ich jetzt Wäschewaschen, anstatt mich hier voll schwitzen zu lassen. In Gedanken überlege ich mir einen möglichst eleganten Abgang und das am besten in den nächsten zwei Minuten. Ich erhöhe die Lautstärke meines Stöhnens und Seufzens. Spiele möglichst überzeugend einen Höhepunkt vor.
Herr im Himmel ... lass ihn doch endlich fertigwerden.
Bei jedem anderen Mann wäre ich schon längst auf dem Weg nachhause. Nur dummerweise rackert sich gerade mein Chef auf mir ab, was die ganze Sache um einiges verkompliziert. Innerlich vor mir hin fluchend, versuche ich, möglichst postkoital zu wirken. Endlich, er ist fertig. Der Geruch nach seinem Schweiß und anderen Körperflüssigkeiten, an die ich jetzt gar nicht weiter denken will, durchsetzt die Luft. Ich muss hier raus, schnellstens. Der Nebel des Rotweins lichtet sich langsam. Von Sekunde zu Sekunde wird mir immer deutlicher bewusst, dass ich gerade den schlechtesten Sex meines Lebens hatte – und das ausgerechnet mit meinem neuen Chef.
Beides ist nicht besonders toll, doch das Beschissenste daran, mir fällt einfach keine Ausrede ein, die mich jetzt möglichst schnell aus diesem Dilemma rettet. Immer noch auf dem Rücken liegend, warte ich auf eine intelligente Ausrede, doch mir will einfach keine einfallen.
Seit vier Jahren arbeite ich mittlerweile als Werbetexterin.
Zu jedem noch so sinnlosen Produkt ist mir ein toller Slogan eingefallen, alles konnte ich verkaufen. Doch nun, wo ich eine lebensrettende Idee brauche, ist mein Hirn wie leer gefegt. Wahrscheinlich hat es sich gedacht, dass ich es an diesem Abend nicht mehr benötige. Denn wenn ich es heute auch nur einmal wirklich benutzt hätte, würde ich jetzt nicht hier liegen. Mein Hals kratzt von dem verzweifelten Versuch, völlig hingerissen zu wirken. Meine Frisur ist bestimmt komplett ruiniert. Mein Chef liegt neben mir, völlig außer Atem und mehr als nur begeistert von seiner erbärmlichen Leistung. Sonst habe ich nach einer schlechten Nummer immer das Bedürfnis, mein sexuelles Verlangen zu einem angenehmen Höhepunkt zu bringen. Doch dieses Mal war es so schlecht, dass ich nicht annähernd das Gefühl habe, erregt zu sein. Scheiß drauf, ich stehe jetzt einfach auf und gehe. Für Diplomatie habe ich heute wirklich keine Geduld mehr.
***
Während ich hier gelegen habe, um mir einen möglichst schmerzfreien Abgang zu verschaffen, ist mein genialer Lover einfach neben mir eingeschlafen. Was für ein Glück. Schnell schlüpfe ich in meinen Rock, meine Bluse und meine Heels. Die Zeit, meine Unterwäsche anzuziehen, nehme ich mir nicht. Alleine bei der Vorstellung, dass er in wenigen Minuten wieder aufwacht, überkommt mich ein Gefühl von Panik. Also stopfe ich sie möglichst schnell in meine Handtasche. Was für ein Glück, dass ich mich nicht so verhalte wie die meisten anderen Frauen. Alle meine Freundinnen befolgen eine unausgesprochene Regel. Je knapper die Unterwäsche ist, die sie tragen, umso kleiner ist die Handtasche, die sie mitnehmen. Warum man die Größe der Handtasche der des Stoffes der Unterwäsche anpasst, weiß ich nicht. Allerdings bin ich froh, das ich immer, und ich betone immer, meine lovely Handtasche mit mir herumtrage.
Und gerade heute Nacht zahlt es sich ja aus. Ausgestattet mit meinen desinfizierenden Tüchern (die ich immer dabei habe, falls ich auf eine Toilette muss, die nicht meine eigene ist), rettet sie mich heute Nacht. Schnell schlüpfe ich ins Bad, schnappe mir fast schon panisch eines dieser Sagrotantücher und halte es kurz unter den Wasserstrahl des Waschbeckens. Schnell reinige ich mich damit zwischen den Beinen.
Es brennt etwas, immerhin ist das Zeug ja nicht für den Körper gedacht, schon gar nicht für diese spezielle Region. Doch mein Bedürfnis nach gründlicher Reinigung ist jetzt gerade enorm. Nachdem ich meine Hände, mein Gesicht und fast alle anderen Regionen meines Körpers desinfiziert habe, verlasse ich möglichst leise
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