Short Stories - Sammelband 5-faches Lesevergnuegen
der Hand. „Höhenangst?“ Amüsiert zieht er mich ganz nah an seinen starken Körper. Mein Kopf reicht ihm genau bis unter sein Kinn, ich höre seinen starken Herzschlag, während meiner für eine Sekunde aussetzt. „Mit dir würde ich bis zu den Sternen reisen, du bist ein Wunder, mein Wunder.“
Oh mein Gott, ist das schnulzig, und doch verfehlen seine Worte ihre Wirkung nicht. Es muss an der Umgebung liegen, fröhliche Stimmung, ausgelassenes Lachen und eine Brise Romantik lassen mich vergessen, dass er mir fremd ist. Langsam stelle ich mich auf die Zehenspitzen, lege meine freie Hand um seinen Hals und berühre mit meinen Lippen leicht die seinen. Warm, weich und zugleich fest, aufregend und verführerisch, ich genieße den Moment. Ohne Zungen, ohne Erotik, einfach nur der Augenblick. Warme Arme, schützend und besitzergreifend, legen sich um meinen Körper. Die Melodie des Riesenrades und die Zuckerwatte.
Alice im Wunderland hat sich bestimmt genauso gefühlt wie ich gerade – uneingeschränkt glücklich.
Hand in Hand setzen wir unseren Weg fort.
Das Glitzern der Lichter unter uns, Straßenlaternen zeigen uns die verschiedenen Wege, die offen und frei vor uns liegen. Möglichkeiten stehen Schlange, um von uns gelebt zu werden. Die Straße wartet darauf, von uns befahren zu werden ... pinkfarbene, grüne und gelbe Lichter blinken rhythmisch zum Puls der Stadt. Unsere Gondel wiegt sich leicht im Wind, einzelne Strähnen meiner Haare tanzen an meinem Hals.
Die Süße der Zuckerwatte zergeht auf meiner Zunge, kitzelt meinen Gaumen. Den herrlichen Geschmack nach Kindheit hatte ich vollkommen vergessen. Klebrig und weiß, bereit, von mir vernascht zu werden. Jonas sitzt neben mir, beobachtet meine Zunge, die die süßen Fäden von meiner Unterlippe leckt. „Was ist das?“ Mit einer eindeutigen Bewegung verdeutliche ich ihm, was ich meine. Diese unglaubliche Verbindung zwischen uns. Kribbelnd und doch so vertraut ... gibt es Liebe auf den ersten Blick? Oder ist das einfach nur die Magie des Moments?
Jonas schweigt, genießt den Blick über die Dächer der verschiedenen Buden. Seine Aufmerksamkeit kehrt zu mir zurück, sein Blick liebkost mein Gesicht, meinen Hals. „Soll ich es dir zeigen?“ Unfähig, meine Stimme zu kontrollieren, kommt mir nur ein raues Flüstern über die klebrigen Lippen. „Ja.“ Zwei Buchstaben, bedeutender als ein ganzes Buch. Seine Gesicht nähert sich dem meinen, unsere Augen schließen sich im gleichen Moment. Versinken in der Dunkelheit unserer Gefühle. Sein Geruch steigt mir in die Nase, verwirrt meinen restlichen Verstand.
Es gibt keine Wörter für das zwischen uns. Keine Beschreibung und keine Bezeichnung, die unsere Empfindung logisch erklärt, verständlich oder beschreibbar macht. Es ist ein Gefühl, tief und rein. Unwiderruflich wie die Regentropfen, die den Ozean füllen, wie die Strahlen der Sonne, die den Tag erhellen. Seine Lippen berühren meine, sanfter Druck, viel Gefühl.
Es ist berauschend. Wir berühren uns nicht, nur an den Lippen. Und doch fühle ich, dass wir eins sind. Seine raue warme Zunge schmeckt die Süße meiner, fühlt die Wärme meines Mundes. Sanft öffne ich mich ihm, bereit, alles zu geben und ihn zu nehmen. Unwiderruflich.
„ Verstehst du es? Für das zwischen uns gibt es keine Worte, keine Regeln.“ Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus, schaudernd beginne ich zu begreifen, dass Jonas Recht hat. Das, was uns verbindet, ist mehr als nur die sexuelle Anziehung zweier Menschen. Unsere Seelen haben sich verbunden, endgültig. Ohne weitere Worte teilen wir uns die süße Wolke aus Zucker und beginnen zu begreifen, dass sich unser Leben schlagartig verändert hat.
Der Kies unter meinen Schuhen, der Mann an meiner Seite und die Sterne, die sich hier und da zwischen den Wolken durchmogeln, begleiten uns zurück zu seinem Auto. Warm und kräftig verschlingen sich seine Finger mit den meinen. Der Nachgeschmack der Zuckerwatte vernebelt meinen Verstand. „Sag mir deinen Namen, den ganzen.“ Irritiert begreife ich erst jetzt, dass wir uns nicht einmal vollständig vorgestellt haben. Kennen uns noch keine vier Stunden. Es ist verrückt, absolut realitätsfremd und doch ist es so. „Patricia Altner, ich bin neunundzwanzig. Ich habe im Oktober Geburtstag und mein Sternzeichen ist Skorpion.“
***
Langsam breitet sich Panik in mir aus, was ist, wenn er ein Verrückter ist. Ein Psychopath oder ein Frauenmörder?
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