Showtime! (German Edition)
sich die Vorboten eines sonnigen Tages an, als Georgia ihren Lieblingsplatz am Wasser erreichte. Eine Stelle nahe der Kanalbrücke, die an die Sydney Harbour Bridge nach versehentlichem Kochwaschgang erinnerte.
Dieser stille Ort glich in seiner Atmosphäre vertrauter Umgebung in der Ferne, die sie dann und wann vermisste, und zog sie immer an, wenn Situationen eine Denksportaufgabe an sie stellten.
Auf der Wiese nah am Wasser, einen frischen Grashalm zwischen den Zähnen, ließ sie die letzten Wochen Revue passieren und fragte sich, wie Tausende Male zuvor, warum sie nicht war wie andere. Warum sie Schönes, das ihr widerfuhr, nicht einfach annehmen und darüber glücklich sein konnte. Warum sie hinter allem, das ihr angenehm erschien, eine böse Falle vermutete, misstrauisch darauf lauernd, dass der sprichwörtliche Stolperstein beim nächsten Schritt schon wartete, um sie zu Fall zu bringen.
Eine kluge, hübsche, liebevolle Frau liebte sie, und was gestern noch grau in grau und unerträglich schien, war heute, durch sie, überschaubarer, heller. Sie war bereit, umzudenken, etwas zu tun, statt zu flüchten.
«Okay, O'Connor» sprach sie leise auf Englisch zu sich selbst, den Grashalm kauend, «dieser Frosch ist deine Prinzessin. Gut organisiert, aufrichtig, gebildet... und viel zu gut für dich. Aber was soll's: die kriegst du auch noch versaut - das schaffst du ja immer: alles zu versauen.» Sie streckte sich auf der Wiese aus, blickte zum heller werdenden Blau des Himmels auf und lauschte einen Augenblick auf den munteren Gesang der Vögel. «Was soll das jetzt» murmelte sie versonnen, «willst du mich verarschen da oben? Sagt sie nachher: War nett mit dir, aber... danke, nein? Halt. Moment. So was in der Art war ja immer mehr mein Part. Gummi geben und ab, Georgie-Roadrunner ist die Schnellste, wenn's ums Abhauen geht... » Sie dachte an Silke, die ihr diese Tatsache so rüde an den Kopf geknallt hatte im Lobo´s. Sie hatte Recht gehabt mit allem, was sie behauptet hatte. Silke war kein schlechter Mensch. Sie war sensibel, sehr sogar. Und Georgia hatte ihr weh getan. Sie war mit Sicherheit nicht der Grund für ihr Alkoholproblem, aber wenn hier einer ein schlechter Mensch war, dann sie, Georgia. Silke hatte herausgefunden, wie sie tickte, sie blickte hinter ihre Fassade. Und das machte sie zu ihrem Feind, denn ihre Gefühle gingen niemanden etwas an.
Sie spürte das weiche Gras unter sich, die Natur, die sie brauchte, um mit sich und ihrer Umgebung halbwegs ins Reine zu kommen, Gedanken zu ordnen. Atmen und fühlen, dass es in ihr wieder zu leben begann wie in den Pflanzen, in den Tieren um sie herum.
Im Zwiegespräch mit einem Gott, der ihr in ihrer Kindheit aufgedrängt worden war und an den zu glauben ihr Kraft gegeben hatte, fand sie Ruhe. Dieser Gott, davon war sie überzeugt, war nicht der rachsüchtige, Sünder bestrafende, den perfekt funktionieren Menschen fordernde Schöpfer, mit dem ihre Tante sie in Schach zu halten versucht hatte. So etwas grausames hätte ihr nie Trost spenden, ihr nie dies Gefühl der Geborgenheit geben können, wenn sie sich hilfesuchend in sich selbst zurückgezogen hatte. Dennoch hatten die unheilvollen Predigten ihrer Tante Spuren hinterlassen, was Schuld und Sühne betraf, und manchmal gerieten ihre konträren Überzeugungen sehr ins Wanken.
Sie verabscheute das Bodenpersonal, die Kirche, die in ihren Augen nur Vorschriften machen, heucheln und verteufeln konnte. Seinen Glauben haben, das konnte man ihrer Meinung nach auch ohne die Regeln einer Religion befolgen zu müssen. Und ob man es nun beten oder sonst wie nannte, es tat ihr gut, mit dem, was sie nicht sehen, aber spüren konnte, wichtiges zu besprechen. Ansonsten hatte ihr nie jemand wirklich zugehört. Außerdem widersprach es nicht und machte keine dreckigen Bemerkungen.
«Diesmal haue ich nicht ab, gefällt dir das?» richtete sie sich an ihr unsichtbares Gegenüber wie an einen alten Freund. «Sie will die verdammte Schauspielerin. Okay, kriegt sie die eben. Das bekommen wir doch hin, oder? Das wollen wir doch beide.»
Ein Geistesblitz durchzog das, was sie eben noch als heilloses Durcheinander wahrgenommen hatte. Brainstorming, na klar. Sie richtete sich auf, den Blick auf die fast ebene Fläche des Wassers gerichtet, als könne sie darin Szenen dessen sehen, was sich ihr plötzlich offenbarte. Sie spuckte den Grashalm aus und dankte im Stillen für die Antwort, die sie erbeten hatte. Wenn es
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