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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schwein ist er!« sagte sie verächtlich. »Ein im Dreck gewälztes Schwein. Angst um ihn? Ein Freudenfeuer würd' ich machen, wenn's ihm an den Kragen ginge. Ein festliches Essen! Will mir das Kind abtreiben lassen, daß du's weißt. Jammert vor Angst, Svetlana, seine Frau, könnt's erfahren! Verdreht die Augen, wenn ich sage: Nein, ich will das Kind! Es wächst in mir, also ist's ein Teil von mir. Ich töte mich doch nicht selbst. Und dann schaut er mich an, mit Augen, die morden könnten. Ein schrecklicher Blick. Man sieht, wie seine Gedanken arbeiten und möchte fliehen, um Hilfe schreien … nur weg von ihm, weg …« Sie wischte sich über die Augen, die auch bei diesem Ausbruch bärenhaft starr blieben. »Aber dann steht er plötzlich da, lautlos, kennt ja alle Wege und geheimen Pfade, bettelt und fleht und schimpft und flucht und droht und weint und schüttelt die Fäuste … Was habe ich eine andere Wahl: Ich lache. Lache! Und dieses Lachen treibt ihn weg. Meine einzige Waffe ist's gegen ihn. Lachen … aber schreien möchte ich!«
    »Du hast ihn doch mal geliebt, ein Kind kommt nicht vom Atmen.«
    »Nur Traurigkeit war's. Einsamkeit, Verzweiflung – welche Worte dafür gibt es noch? Aus der Stadt kam ich zurück, aus einer anderen Welt. Zurück in die Sümpfe am Tobol. Wußte, daß hier nun das weitere Leben sein wird für immer. Nie mehr vor den Fenstern der Geschäfte stehen, kein Kino, kein Theater. Kein Café, vor dem man in der Sonne sitzen kann. Kein Schwimmbad, keine Freunde, die mit einem lachen … Nur noch das alte Haus, der Gestank von trocknendem Fisch, der Mist im Stall, der krumme Rücken auf dem Feld, unendlich lange Abende allein mit einem Väterchen, das kaum spricht und das schon zufrieden ist, wenn es essen, trinken, arbeiten und schlafen darf … Scheel angesehen von allen, verachtet – weiß ich, warum? – und bespottet, vom fauligen Atem der Sümpfe eingehüllt, zerrissen und borkig die Hände«, sie zeigte Walja ihre striemigen Handflächen, »im Winter eine Gefangene in diesem Haus, die Welt zusammengeschrumpft auf die Größe der Ofenplattform, nebeneinander liegend, Väterchen und ich, wie vor vierhundert Jahren … Das war's, was ich fühlte, wovor ich Angst hatte. Mit dreiundzwanzig Jahren begann ich langsam zu sterben. Und da kam Masuk! Ein Kerl wie aus einer Taiga-Saga. Ein Baum, an den ich mich lehnen konnte, der mich beschützte und nicht verachtete. Dem ich erzählen konnte, was ich fühlte, und der mich auch verstand …«
    »Das hast du angenommen.«
    »Du sagst es! Ich nahm es an … Was aber wollte er? Nur meinen Körper! Nichts sonst. Nur ihn! Die Not in mir – er hörte sie sich an und drückte mich ins Gras. Die Mißgunst der anderen Menschen – er nickte nur und zog mich aus. Die Qual, wenn ich an Svetlana, die Betrogene, dachte – er lachte bloß und wälzte sich auf meinem Körper. Das waren kurze Stunden ohne Einsamkeit; vielleicht war ich sogar glücklich.«
    »Nie begriffen hast du, daß du nur ein Objekt seiner Lust gewesen bist? Ein Gegenstand, den man benutzen kann, der immer zur Verfügung steht …«
    »Hättest du's begriffen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wenn nun Jugorow auch nicht anders ist als Masuk? Reizvoll ist es, eine Ärztin im Bett zu haben. Ein Sieger ist man, ein Beneideter. Ein Platzhirsch. Und gut geht's einem als einfacher Traktorist. Man wird eingeladen beim hohen Schwiegervater, nimmt teil am besseren Leben, angefangen vom guten Essen bis zum schönsten Wein, von der ausgesuchten Kleidung bis zum parfümierten Wasser nach dem Rasieren … sehr lohnend, sich die Genossin Ärztin einzuverleiben!«
    »Igor ist anders, Soja.«
    »Ein Mann ist er. Und jeder Mann denkt immer nur zuerst an sich. So sind sie eben. Riesenhafte Egoisten. Wie die Gorillas … Sie trommeln an die eigene Brust und brüllen in die Welt: Ich bin der Herr! Walja …«, sie beugte sich zu ihr, »… ich erschrecke. Keine Erfahrung hast du mit den Männern.«
    »Nur wenig …« Walja nagte an der Unterlippe. »Sehr wenig …«
    »Auf der Universität? Dort soll's lustig hergehen, wie man so hört.«
    »Das Studium war mir wichtiger. Alle Prüfungen habe ich bestanden, mit Auszeichnung. Ich wollte weiterkommen, schnell weiterkommen, einmal leitende Ärztin in einem Krankenhaus sein. Chefärztin, wissenschaftlich arbeiten können, forschen, Bücher schreiben, Vorträge halten. Beweisen, daß auch die sowjetische Medizin allen anderen Ländern überlegen ist … oh,

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