Sibirisches Roulette
Chefs in Tobolsk. Ins Bett wollte er mich haben, geohrfeigt hab' ich ihn – so hab' ich mir das Parfüm Opium verdient. Mag sein, daß Sie's mir glauben oder auch nicht; was macht's mir aus? Wenn man das Opium an mir riecht, heißt es sofort: Oh, wie sie stinkt! So stinkt nur eine Hure! … Ich bin's gewöhnt. Wenn ich es höre, freut es mich, anders zu sein als alle anderen Weiber in Lebedewka. Sollen sie Hürchen schreien, mir tut's nicht weh.« Sie ging zum Herd, bückte sich und holte aus der Backröhre ein Blech mit Kuchen. »Essen Sie ein Stück Smetanik? Väterchens Lieblingskuchen.« Und als sie sah, daß Walja zögerte, fügte sie hinzu: »Vergiftet ist er nicht … ein Stück esse ich mit.«
Das Herz geht jedem Russen auf, wenn er von Smetanik hört. Ein gefüllter Mürbeteigkuchen ist das – allerdings kommt es auf die Füllung an. Aus Kirsch- und Himbeerkonfitüre besteht sie, dazu gehören leicht angeröstete, feingemahlene Mandeln, zwei Eigelb, saure Sahne, Zimt. Das ist Smetanik, Genossen. Da schnalzt man mit der Zunge, wischt sich über den Mund und nimmt noch ein Stückchen.
Während Soja den Kuchen anschnitt, setzte sich Walja an den groben Tisch, vom Urgroßvater selbst gezimmert und geschnitzt, und sah sich um. Auch das Innere des Schwarzen Hauses erinnerte an die alten Holzkreml, wie sie Jermak, der Kosaken-Ataman, bei seiner Eroberung Sibiriens überall errichtete. Vor über vierhundert Jahren war das gewesen, und dahin zurückversetzt fühlte sich Walja zu dieser Stunde.
Soja kam mit dem Kuchen, servierte ihn auf einem Holzbrett und stellte eine Keramikkanne und zwei Gläser dazu. Neben Walja setzte sie sich, obgleich genug Platz am Tisch war, und schüttete die Gläser voll.
»Wasser trinken wir dazu«, sagte sie, als sie Waljas verwunderten Blick bemerkte. »Am Abend Tee, am Tage aber Wasser. Das beste Wasser haben wir … ein eigener Brunnen. Glasklar. Großvater muß da einen unterirdischen Bach angebohrt haben.«
Eine ganze Weile saßen sie nebeneinander, aßen den Kuchen, tranken das Wasser und schwiegen.
Was will sie hier, dachte Soja. Nur Grüße überbringen von Igor?
Und Walja dachte: Was kann sie alles! Kochen, nähen, Feldarbeit in dem schönen Garten, fischen, flechten, backen, sägen, zimmern, pflanzen, waschen, bügeln, flicken … Und was kann ich? Nichts von alledem. Aber wenn sie krank ist, dann kann ich zeigen, wo ich stärker bin als sie. Was nutzen einem Menschen die Hände, wenn er sie nicht bewegen, nicht einsetzen kann? Bleibt dennoch die Frage: Liebt Igor sie, weil sie so tüchtig ist?
»Was ist mit Igor Michailowitsch?« fragte Soja plötzlich in die Stille hinein.
Und Walja antwortete sofort mit einer anderen, rücksichtslosen Frage: »Liebst du ihn?!«
»Ich könnte es.« Soja blickte Walja offen in die Augen. »Geträumt hab ich davon, schon in der einen Nacht, die er bei uns schlief – in meinem Bett, allein. Ich lag im Stall … Und dann wusch er sich im Bach; beobachtet habe ich ihn, seinen schönen, starken Körper …« Sie hob die Schultern und trank noch einen Schluck Wasser. »Aber er wollte nicht bleiben. Für unsereins bleibt so etwas immer ein Traum. Zur Baubrigade hab ich ihn dann gefahren und wußte: wiedersehen werden wir uns wohl kaum …«
»Warum ziehst du nicht in die Stadt? Heiratest einen guten Mann? Bekommst Kinder, bist glücklich, bist weg aus diesem Sumpf …«
»Zu früh oder zu spät ist's, wer weiß es? Väterchen kann nicht mehr ohne mich sein, um ihn kümmern muß man sich. Allein brennt er schnell ab wie eine Kerze.«
»Nimm ihn mit in die Stadt.«
»Das sagst du? Sieh dich um, Walja Borisowna, und dann frage noch mal.«
»Auch ich liebe Igor.« Walja zerkrümelte den Rest des Kuchens. »Wir … wir schlafen zusammen …«
»Deshalb bist du gekommen?«
»Nein. Neugier war's. Sehen wollte ich, wie die Frau ist und lebt, die mir Igor wegnehmen könnte.«
»Und wie bin ich?«
»Wie ich's dachte: gefährlich. Wäre ich ein Mann, dann …«
»Du hattest Angst? Vor mir Angst?«
»Jede Frau, die liebt, hat Angst um diese Liebe.«
»Ich kann's nicht sagen. Nie hatte ich Angst.«
»Auch nicht bei Masuk?«
In Sojas Augen blitzte wieder das kalte Feuer auf.
»Was weißt du denn von Masuk?« fragte sie hart. Auch ihre Stimme konnte vereisen.
»Alles. Igor hat es mir erzählt. Ein Kind bekommst du von ihm.«
»Das stimmt. Wen stört's?«
»Um Masuks Liebe hattest du nie Angst?«
»Masuk?« Soja verzog den Mund. »Ein
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