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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von einer unerklärbaren Angst. »Schließ das Haus ab und komm!«
    »Hier ist nie abgeschlossen worden seit zweihundert Jahren. Das Schwarze Haus betritt niemand. Wer will schon einen Teil vom Fluch der Trofimows mitnehmen?«
    Wie bitter klang das, wie resignierend.
    Walja saß schon im Jeep, als Soja endlich aus dem Haus kam. Ein anderes Kleid hatte sie angezogen; kurz und modern war es, anders als das Baumwollkleid, das sie im Garten getragen hatte. Ein Kleid wieder, über das die Frauen von Lebedewka tuscheln würden: Seht, seht, ein Hürchen nur läuft so herum!
    Noch etwas aber trug Soja in der Hand, das nicht zu diesem Kleid paßte: Ein Jagdgewehr mit kurzem Lauf, ein Kugelrepetiergewehr. Des alten Trofimows beste Waffe.
    »Mein Gott, was willst du damit?« rief Walja, als Soja neben ihr saß. »Willst du jetzt Masuk erschießen?«
    »Nein. Nur wissen soll er, daß ich es habe. Er kennt's noch nicht.« Sie klemmte das Gewehr zwischen ihre Beine und setzte ihre große Sonnenbrille auf. »Wir können fahren, Walja Borisowna.«
    Aber sie fuhren nicht ab. Vor ihren Augen ereignete sich plötzlich etwas, das sie in Schreck und Entsetzen erstarren ließ. Es war, als stünde auf einmal ein riesiges Ungeheuer vor ihnen. Jeder Laut erstarb in ihnen, sie wagten kaum zu atmen.
    Aus dem Buschwerk zum See hin erschien nämlich Masuk mit seinem Pferd, und schräg von ihm, aus dem Wald, kam gleichzeitig Jugorow zu Fuß über die Lichtung. Den Jeep mit Walja und Soja, der im Schatten vor der geschwärzten Hauswand stand, konnten sie nicht erkennen.
    In diesem Augenblick sahen die Männer sich und wähnten sich völlig allein.
    Soja zu töten, wie er es dem Popen Schagin im voraus gebeichtet hatte – diese Absicht hatte Masuk aufgegeben. Das Kind sollte zur Welt kommen; warum es noch verstecken oder gar verschwinden lassen? In Lebedewka wußte mittlerweile jeder, wie's um Lew Andrejewitsch und das hübsche Hürchen stand. Schnell spricht sich so was rum, wenn nur einer eine leise Bemerkung macht. Und nun war's ja egal, was man von Masuk dachte. Die Frauen verachteten ihn, die Männer hingegen empfanden Bewunderung und freundschaftlichen Neid, hatten Verständnis für Masuk.
    Genau wie er hätten sie es getan, wenn ihnen die Gelegenheit dazu geboten worden wäre.
    Das einzige Problem: Svetlana Victorowna, Masuks Frau. Noch war sie eingesperrt. Was aus ihr und den anderen Geiseln werden würde, wußte niemand. Nachdem ein Unbekannter Nasarow ein Messer in den Rücken geworfen hatte, schien ihr Schicksal vollends unklar geworden. Masuk, das war bewiesen, bezeugt von Schagin, dem Popen, kam als Täter nicht in Frage. Schach hatte er tatsächlich gespielt, bis in die Nacht hinein. Großväterchen Beljakow als Messerwerfer – das wäre ja nun ein Wunder gewesen. Wem sonst traute man das zu? Die Auswahl war gering.
    »War's vielleicht doch Jugorow?« hatte Korolew im vertrauten Kreis gefragt.
    »Nie und nimmer!« hatte Rudenko gerufen. »Wenn er Blut sieht, weint er. Jugorow – nie! Aus Lebedewka, stelle ich fest, war's keiner.«
    »Nur glauben wird man's nicht«, sagte Korolew ahnungsvoll. »An uns wird es hängenbleiben. Wartet ab! Die Strafe, die wir nicht verdient haben, kommt schon noch. Laßt Nasarow erst wieder auf den Beinen sein …«
    Mit seiner Frau mußte Masuk also bald ins reine kommen. Verwünschungen würde sie ausstoßen, Flüche, die Küche demolieren, das Geschirr an die Wände werfen, die Möbel zertrümmern, zu den Nachbarn laufen: Seht ihn euch an! Seht ihn nur! Verlassen will er mich, verlassen wegen dieser Hure. Nach so vielen Ehejahren läßt er mich allein. Waren wir nicht so glücklich, bis die Hexe aus der Stadt zurückkam? Haben wir uns nicht immer geliebt? Helft mir, Nachbarinnen, helft mir, Schwestern! Laßt uns zu diesem Flittchen ziehen und sie und das Haus anzünden. Verbrennen sollte man sie, wie's zu einer Hexe gehört. Verbrennen! Heute ist es Masuk, morgen einer von euren Männern. Seht doch, wie dieses Weibsstück hier vorbeifährt: Die Arschbacken sieht man, so kurz ist ihre Hose. Und beobachtet dabei eure Männer – die Knöpfe springen ihnen vom Schlitz! Verbrennen soll sie! – Ja, so würde Svetlana toben, stundenlang, vielleicht auch tagelang, aber da war er schon längst bei Soja, bewachte das Haus und würde jeden niederschießen, der sich ihm näherte.
    So hatte Masuk sich entschlossen in jener Nacht, in der er auf Jugorow geschossen und ihn nicht getroffen hatte. Vorbeigeschossen

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