Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
verschicken konnte, in denen beim Aufreißen ein Sprengsatz explodierte, der zumindest die Hand abriß oder in die Augen spritzte. Er stieß den Brief mit dem Pistolenlauf vom Baum, warf einen Stein darauf, und als nichts detonierte, hob er ihn auf und öffnete das Kuvert mit dem Zeigefinger.
    Nur eine einzige Zeile enthielt der Brief:
    »Wenn Du den großen Helden treffen willst, komm morgen nachmittag um drei zum Haus der Beljakows. Er wird dort sein!«
    Durch Krasnikow lief ein heißer Strom. Nicht einen Augenblick zweifelte er an der Wahrheit der Zeilen, und wer sie auch geschrieben hatte – ob ein Verräter oder der ›Spezialist‹ selbst: Morgen um drei Uhr nachmittags fiel die letzte Kugel des sibirischen Roulettes.
    »Ein fairer Bursche!« sagte Krasnikow laut zu sich und steckte den Zettel ein. »Bis heute hast du das Glück gepachtet – jetzt bin ich dran!«
    Er brach seinen alltäglichen Rundweg ab, fuhr erst gar nicht mehr durch Lebedewka, sondern kehrte nach Nowo Gorodjina zurück. Enkel Beljakow, der wieder am Fenster saß, wartete vergebens, aber da Krasnikow nicht kam, wußte er, daß seine Nachricht ihn erreicht hatte.
    Zum erstenmal seit seiner Befreiung aus der Geiselhaft war er wieder von Herzen fröhlich, aß kräftig vom Braten und den eingelegten Pilzen, spielte mit den jüngeren Geschwistern und war wie umgewandelt. Mit glücklichen Augen sahen ihn seine Eltern an, und Großväterchen verkündete weise:
    »Die heutige Jugend braucht eben länger als wir. O je, was haben wir alles wegstecken müssen!«
    Jugorow war bei seinen Hunden, als Krasnikow ins Lager fuhr. Er hielt vor dem Zwinger, stieg aus und betrachtete mit Widerwillen die bei seinem Erscheinen wie toll bellende und fletschende, noch immer nervöse und nicht einsetzbare Meute. Die verrußten Trümmer des Kesselhauses stanken nach wie vor brandig. Den gröbsten Schutt hatte man weggeräumt; eine Kommission war nicht mehr aus Tobolsk gekommen, was sollte sie auch tun? Die Schäden konnte Schemjakin berechnen, und der fette Koskajew hatte nur gesagt: »Wenn das so weitergeht, Boris Igorowitsch, sprengen sie euch den Arsch weg, wenn ihr auf der Latrine sitzt. Moskau ist unterrichtet, von dort sollen wir neue Order bekommen. Und bevor Sie wieder klagen: Verpflegung ist zusammengestellt und wird zu Ihnen gebracht. Eine neue Kücheneinrichtung ist aus Swerdlowsk eingetroffen. Nur Geduld! Auch Tiefstrahler bekommen Sie – Sie kennen ja diese Scheinwerfermasten, wie sie auf den Fußballplätzen stehen; taghell wird's bei Ihnen in der Nacht sein, da kommt keine Maus mehr ungesehen ins Lager. Das Militär hat Befehl, bei Ihnen die Nachtwache zu übernehmen. Das ganze Lager erhält rundum einen hohen, elektrisch geladenen Zaun. Am hohen Tor kommt jedermann nur mit einem Ausweis rein oder raus. Das Militär kontrolliert. Schemjakin, jetzt wird das Lager eine Festung. Sicher sind Sie wie im Kreml.«
    »Ich habe einen Wunsch, Igor Michailowitsch«, sagte Krasnikow am hohen Drahtgitter des Hundezwingers. »Einen ganz persönlichen Wunsch. Kommst du in einer Stunde bei mir vorbei?«
    »So furchtbar ernst? Was ist los, Victor Ifanowitsch?« Jugorow kam ans Gitter, begleitet von seinen Hündinnen Laika und Taiga. Sie hatten sich geeinigt: Die Liebe zum Chef des Rudels teilten sie sich.
    »Einen Brief möchte ich schreiben«, sagte Krasnikow mit einer völlig veränderten Stimme. »Einen Brief an meine Mutter. Abschicken sollst du ihn, wenn's mir so ergeht wie Meteljew.«
    »Eine Spur hast du?« fragte Jugorow voll Spannung. Fast leid tat ihm Krasnikow; einem Phantom jagte er nach, und mit dem Wild, das er erlegen wollte, sprach er. »Victor Ifanowitsch, bloß keine dumme Todesahnung!«
    »Spielen wir heute abend wieder Schach?«
    »Wenn du Laune dafür hast … sehr gern.«
    »Eine ehrliche, verbissene Partie soll's werden, und trotzdem möchte ich verlieren. Ehrlich verlieren.«
    »Das versteh' ich nicht.«
    »Ein alter Aberglaube ist's, Igor. Heute Pech, morgen Glück … und ich brauche morgen das Glück.«
    Jugorow blickte Krasnikow nach, wie er zur Wagenhalle fuhr, dort den Kübelwagen abstellte und zu seinem Haus ging. Was ist da geschehen, dachte er. Wen verfolgt er? Man muß es wissen, um den Unschuldigen zu retten. Nicht noch ein sinnloser Toter! Wer der andere auch sein mag, man muß ihn schützen. Im Kampf gegen Krasnikow hat keiner die Aussicht, sein Leben zu retten. Krasnikow von der GRU – das ist die Garantie des Todes.
    Am Abend

Weitere Kostenlose Bücher