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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Enkelchen, nimm ein heißes Bad … weg mit dem Geruch von Trofimow … mir juckt's schon in der Nase!«
    »Ihm und Soja haben wir ein Leben lang zu danken!« erwiderte Andrej mutig. »Euer Haß aufeinander ist idiotisch!«
    »Wasch den Geruch ab!« brüllte der Alte wieder, stieß mit einem Stock gegen die Wand, und sein Kopf schwoll rot an. »Nichts geht's euch an, was zwischen Trofimow und mir ist.«
    Dann saß er auf der Ofenbank, stierte Großmütterchen im Rollstuhl an und war zufrieden, daß nie jemand erfahren würde, was einstmals geschah: Beljakow, der alte Bock, war nämlich seinerzeit völlig aus dem Häuschen geraten, als Trofimow sein junges Frauchen aus der Stadt mitbrachte. So schlimm wurde es mit der Herumschleicherei, daß Trofimow nicht anders konnte, als seinen Freund Beljakow ganz jämmerlich zu verprügeln. Von diesem Tag an war Ruhe gewesen, aber der Haß geboren. Nein, keiner würde das jemals erfahren. Der Glorienschein blieb über Großväterchens Haupt.
    Der Auszug des jungen Beljakow aus dem Schwarzen Haus, zog, wen wundert es, die anderen Geiseln mit. Einzeln schlichen sie sich in ihre Häuser. Der Schreiner Kabanow holte seine Frau Marfa Jakowna ab, und das Wiedersehen mit den Kleinen trieb jedem Tränen in die Augen. Auch Svetlana Victorowna kehrte zu der Schmiede zurück, ließ als erste Tat alle Kleidung von Masuk in die hinterste Ecke der Scheune bringen, entfernte seine Fotografie von einem Regal, warf das Glas, aus dem er immer getrunken hatte, auf den Pferdemist und seine hohe Tasse gleich hinterher. Alles, was zu deutlich an ihn erinnerte, räumte sie weg. Nur das Bett war nicht zu zersägen, aber symbolisch legte sie einen großen schweren Flußstein auf Masuks Platz – und jede Nacht, wenn sie jetzt zu Bett ging, spuckte sie den Stein an und konnte dann ruhiger schlafen. Mit Soja Gamsatowna hatte sie ausgemacht, daß sie sofort kommen sollte, wenn die Wehen begannen … da, in Masuks Bett, sollte sie das Kind gebären, und gemeinsam wollte man es aufziehen … zu einem besseren Menschen, als es Lew Andrejewitsch gewesen war.
    »Nun sind alle weg!« sagte Trofimow, als der letzte gegangen war. »Soja, alle Fenster auf! Luft hinein, Luft … laß es wehen durchs ganze Haus … Oh, waren das Wochen! Sag, daß ich mich anständig benommen habe, daß ich ein friedlicher Mensch war … Ha, wie kann ich freier atmen …«
    Er hockte sich auf seinen alten Platz, wartete, bis Soja eine Flasche seines Satanswodkas brachte und begann wie in guter, alter Zeit zu saufen. Im Inneren aber, keiner sollte es sehen, war er stolz. Stolz darauf, daß man ihn hatte gebrauchen können. Stolz, daß ein uralter Bann gebrochen war. Jugorow mußte man dafür danken … aber wann jemals hat ein Trofimow sich bedankt?
    So war's jetzt in Lebedewka scheinbar ruhig, als gewöhne man sich an alles, auch an den Bau des Kanals. Man lieferte Verpflegung in das Lager und bekam dafür aus den Beständen der Brigade moderne Werkzeuge, Sägen, Äxte, Hämmer, Schraubenzieher, Steckschlüssel, Ratschen. Sogar eine große Motorkettensäge wurde gegen ein Schwein eingetauscht, und Ersatzteile für Traktoren gab es auch.
    Beljakow aber, der Enkel, saß nun oft am Fenster und registrierte aufmerksam, wie Krasnikow herumfuhr.
    Zweimal noch waren Walja und Jugorow bei ihm gewesen, hier im Elternhaus, und jedesmal war es ihm, als werde seine Seele zerrissen, wenn er die Blicke zwischen Walja und Igor deutete; wenn er sah, wie er ihr mit zärtlichen Gebärden in den Jeep half, wie sie glücklich lachten; wie sie sich dabei zurücklehnte, die Brüste ihre Bluse strafften. Dann dachte er an Jugorows Hände, die sie umspannen durften, sah die beiden miteinander im Bett liegen und sich kosen, sah Dinge, die seine eigenen Wünsche waren. Und in dem Maße, da er sich von Tag zu Tag mehr zermarterte, wuchs in ihm der Drang, Jugorow zu vernichten, Walja von ihm zu befreien.
    In der Nacht weinte er manchmal, schlug dann um sich, stöhnte laut und qualvoll, und seine Mutter flüsterte dem Vater zu: »Er kann es nicht vergessen. Er sieht noch immer Kulinitsch. Sein Leben lang wird er daran zu tragen haben …« Wer dachte schon daran, daß ein junger Mensch von Liebesleidenschaft zerstört werden kann?
    Am siebten Tag seiner Suche nach dem ›Spezialisten‹ fand Krasnikow abends an einer Birke der ›Zehn Sänger‹ einen Brief, leicht festgenagelt. Erst zögerte er, von seiner Schulung bei den SPEZNAS wußte er, daß man Briefe

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