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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ich jetzt Tag und Nacht.«
    »Igor Michailowitsch, das lähmt Sie! Um Gottes willen, vergessen Sie nicht unser Projekt, unsere Aufgabe. Für eine Frau haben Sie später Zeit genug! Ein ›Spezialist‹ wie Sie kann sich keine Liebe ans Bein hängen. Wir kennen uns nicht persönlich, Adler, leider, wir haben nur immer miteinander gesprochen, Sie wurden mir empfohlen, von wem, das wissen Sie ja, und ich wurde Ihnen empfohlen von der gleichen Stelle. So kamen wir zusammen. Nicht auszudenken, wenn wir uns jetzt wieder trennen müßten. Was Sie auf ihrem Weg vom Aralsee bis nach Tobolsk hinterlassen haben, ist so eindrucksvoll, daß ich Sie geradezu bewundere. Sie sind unser bester Mann. Wir alle vertrauen Ihnen blindlings. Und nun kommen Sie mit einer Liebe … Hören Sie mich noch, Adler?«
    »Ich höre Sie sehr gut.«
    »Wir sind nahe am Ziel, sage ich Ihnen. Überall in der Welt vermehren sich die Proteste, in allen Zeitungen und Illustrierten erscheinen die Berichte, mit Zeichnungen und Berechnungen und schrecklichen Zukunftsbildern. In Moskau schweigt man noch, aber ich weiß, daß Gorbatschow alle Pläne des Sib-Aral-Kanals noch einmal von einer Gruppe ausgesuchter Wissenschaftler prüfen läßt. Auch in Rußland melden sich immer mehr Stimmen, die dieses Kanalprojekt und seine Auswirkungen auf das Klima der Erde verurteilen … Jugorow, Sie und ich und unsere Gruppe und die Bevölkerung der betroffenen Gebiete haben etwas in Bewegung gebracht. Im Ausland weiß keiner, was bei Ihnen und an der Trasse entlang nach Süden passiert; die Presse hat Schweigegebot, keine Informationen dringen nach außen. Wir sind völlig abgeschottet, unser Kampf findet unter Ausschluß der Weltöffentlichkeit statt. Trotzdem hat die Welt begriffen, was da in zehn Jahren auf sie zukommen soll. Selbst im Wasserwirtschaftsministerium wird man unsicher, Minister Wassiljew schweigt verbissen, und der Vorsitzende der Expertenkommission des Instituts für Wasserprobleme, der Genosse Grigorij Woropajew, einer der glühendsten Verfechter des Kanals, redet wie ein Bauchredner: oben ja und unten Ich-weiß-nichts. Ich sage Ihnen, es wird sich etwas Großes tun! Michail Gorbatschow ist der Mann, der keiner Unklarheit aus dem Wege geht. Gott gebe ihm noch ein langes Leben.«
    Jugorow schwieg. Was er da hörte, war eine Sensation im verborgenen. Er muß es wissen, dachte er. Filaret muß es wissen. Am Tisch mit den anderen sitzt er, im kleinen Kreis der Eingeweihten. Professor Vadim Viktorowitsch Filaret, einer der hervorragenden Wissenschaftler Rußlands, Vorsitzender einer großen Planungsgruppe. Ein Mann der Wahrheit, der nicht nur Rußlands Stellung im Jahre 2000 sieht, sondern auch die Lage in der übrigen Welt. Und der in den Untergrund ging, um zu retten, was noch zu retten ist. Kommt es wirklich in Moskau zu der großen Erkenntnis, daß alles falsch war und daß man das Steuer herumwerfen muß?
    »Sind Sie noch da, Adler?« fragte Filaret, weil Jugorow so lange schwieg.
    »Ich bin da. Und mir ist das Herz wie Blei.«
    »Warum?«
    »Wozu bisher die vielen Toten in diesem Kampf? Man hätte nur zu warten brauchen … warten … Vergessen haben wir, daß des Russen größter Freund und größter Feind die Zeit ist. Wir waren zu früh mit unseren Aktionen. Wenn Gorbatschow das Projekt tatsächlich stillegt, waren alle Opfer umsonst. Mich friert bei dem Gedanken.«
    »Was Sie da denken, ist Fatalismus!« rief Filaret. »Wir haben unseren Beitrag geliefert zu diesem Umdenken! Wir waren der Nagel, den Hammer liefern die anderen …«
    »Ein blutiger Nagel.«
    »Kein Sieg ohne Opfer.«
    »Das sagt man so flott, wenn man nicht im Trichter sitzt, in den die Splitter regnen. Die Toten vom Aral-See bis hierher, auf beiden Seiten, junge Menschen voll Freude am Leben, Väter, Ehemänner, Brüder – sie alle könnten noch leben, wenn wir gewartet hätten. Bedrückt Sie das nicht?«
    »Nein …«
    »Mich macht es traurig. Auch ich bedaure, daß wir uns nie getroffen haben, Vadim Viktorowitsch, und jetzt wird es ebenfalls nichts werden. Der Regen steht schon am Himmel, dann kommt das Eis … wir werden uns vielleicht nie begegnen.«
    »Um so mehr hören wir uns, Adler, wir sind stolz auf Sie. Und wer immer Sie auch sein mögen: Rußland hat Ihnen viel zu verdanken. Kämpfen wir weiter bis zum endgültigen Sieg. Gott schütze Sie!«
    Jugorow schaltete den Apparat aus, nachdem er die Frequenz auf dem Bildschirm gelöscht hatte, verließ Meteljews Zimmer, ging

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