Sich vom Schmerz befreien
kommunikative Schmerztherapie werde ich anhand einiger Methoden näher beschreiben. Diese Methoden habe ich nicht ausgewählt, weil sie die »besten« oder »einzig richtigen« sind, sondern weil ich sie selbst in meiner Arbeit als »Handwerkszeug«
verwende. Und da auch Herr M. zu meinen Patienten gehört, werde ich seine Geschichte in den folgenden Kapiteln weitererzählen. Auch eine Patientin wird zu Wort kommen. So wird das Ganze für Sie nachvollziehbarer, und vielleicht werden Sie als Schmerzpatient sich in den Geschichten wiederfinden. Darüber hinaus lade ich Sie zwischendurch zu den in der Einleitung bereits angekündigten praktischen Ãbungen ein, damit Sie den Unterschied zwischen der »mechanischen« und »kommunikativen« Vorgehensweise am eigenen Leib erfahren können.
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Beginnen wir also zum Ende dieses Kapitels mit einer Ãbung, die Sie vielleicht kennen, da sie in der Medizinischen Rehabilitation mittlerweile Standard ist (bekannt auch durch zahlreiche Bücher und Tonträger). Auch Herr M. hat sie an der Reha-Klinik gelernt - die Progressive Relaxation (PR) (bei uns auch »Progressive Muskelentspannung« genannt). Dabei handelt es sich um eine Ãbung, deren Anwendung ich »mechanisch« nenne. Der Erfinder der PR, Edmund Jacobson, untersuchte in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts den Zusammenhang zwischen muskulärer Anspannung und psychischen Erscheinungen, speziell der Emotion Angst. Seine Forschungen kamen zu dem Ergebnis, dass Muskelspannung ein Bestandteil vieler körperlicher und psychischer Krankheiten ist. Mit der PR wollte er Menschen die Möglichkeit geben, über die Entspannung der Muskulatur auch Ãngste und Krankheiten positiv zu beeinflussen.
Jacobsons Arbeit war also bereits systemtheoretisch, obwohl es den Begriff zu jener Zeit noch gar nicht gab. Die Medizin war noch völlig dem naturwissenschaftlichen Weltbild verschrieben, und so musste er, um die Wirkung seiner Methode »beweisen« zu können, Muskelspannung objektiv messbar machen. Die technischen Möglichkeiten seiner Zeit lieÃen dies noch nicht auf feinstofflicher, biochemischer Ebene zu. Sie erlaubten
ihm jedoch die Messung elektrischer Nervenaktivitäten des Gehirns, die zur Muskelspannung führen, und dazu entwickelte er das »EMG-Gerät« (EMG = Elektromyografie). Jacobson verfügte also noch nicht über das moderne Wissen der Hirnforschung, von dem im letzten Kapitel die Rede war. Liest man jedoch seine Bücher, erhält man den Eindruck, dass er sich mit seiner Methode in vielerlei Hinsicht sehr wohl daran orientierte, viel mehr, als dies heute der Fall ist. Er arbeitete vermutlich sehr »kommunikativ«. Wie viele Pioniere war er also seiner Zeit voraus. Nach und nach wurde die PR dann mehrmals verändert und verkürzt und allmählich zu einer standardisierten, »mechanischen« Methode.
Bevor Sie nun eine Ãbung durchführen, hier vorab ein paar grundlegende Informationen: Da durch eine entspannte Muskulatur oftmals Schmerzen gelindert werden können, nutzt die PR den Wechsel von willentlicher An- und Entspannung, um sensibler für die Muskelspannung zu werden und sie mehr und mehr lösen zu lernen. Dafür werden nacheinander (progressiv) bestimmte Muskelgruppen angespannt und wieder gelöst. Weil Muskelspannungen eng mit seelischen Spannungen verbunden sind, nahm Jacobson an, dass man dadurch auch innerlich entspannt. Darüber hinaus profitieren auch innere Organe von der Entspannung der Skelettmuskulatur.
Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
Wählen Sie für die Ãbung einen ruhigen Raum, legen Sie sich bequem auf den Rücken, eventuell auf eine Decke mit einem Kissen unter dem Kopf. Die Beine liegen schulterbreit auseinander, die Arme mit der Handfläche nach unten neben dem Körper. Sie atmen ruhig und gleichmäÃig und lenken Ihre Aufmerksamkeit auf den rechten Arm. Ballen Sie nun die rechte Hand fest zur Faust, drücken Sie den ganzen Arm kräftig nach unten auf den Boden und ziehen die rechte Schulter hoch zum rechten Ohr. Diese Anspannung dauert etwa 5 bis 10 Sekunden. Danach lassen Sie diese willentliche Spannung wieder los und achten bewusst 30 bis 40 Sekunden lang auf die Empfindungen von Entspannung.
Begleiten Sie die Ãbung innerlich mit folgenden Worten oder lassen Sie sich den Text vorlesen:
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»Ich spanne jetzt den rechten
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