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Sich vom Schmerz befreien

Titel: Sich vom Schmerz befreien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Weitzer
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informieren, dass eine Änderung möglich wird. Je mehr dieser Wege ein Therapeut kennt und kombinieren kann, umso mehr Möglichkeiten hat er, sich zu »unterhalten« und die individuelle »Sprache« des Schmerzes zu sprechen. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, möglichst viele Techniken zu beherrschen, sondern sie zur Kommunikation zu verwenden. Speziell manuelles Arbeiten macht natürlich umfangreiches anatomisches, neurologisches, medizinisches und psychologisches Hintergrundwissen erforderlich - nicht zuletzt auch, um zu erkennen, wann eine Unterstützung durch weitere Ärzte und Therapeuten notwendig ist.

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    Entscheidend für eine erfolgreiche kommunikative Schmerztherapie ist also, wie sehr es gelingt, die Verbindung zwischen dem bewussten und unbewussten System des Patienten herzustellen. Es kommt natürlich vor, dass dies während eines manuellen »Gesprächs« sozusagen »von selbst« passiert. Vor allem aber sind es die Worte, die ein Arzt oder Therapeut verwendet, die über solche Erkenntnisse entscheiden, und darüber, ob sie für eine dauerhafte Änderung des Verhaltens genutzt werden können. Und diese müssen sich am subjektiven Erleben des Patienten orientieren. Ich habe noch die Worte eines Assistenzarztes einer Reha-Klinik im Ohr: Er stand mit einer Röntgenaufnahme vor einem Patienten, deutete darauf und meinte: »Sehen Sie her, an dieser Hüfte können Sie gar keine Schmerzen haben, da ist alles in Ordnung!« Er überwies den Patienten an mich, denn für ihn war dies »ein Fall für den Psychologen«. Während unseres ersten Gesprächs entschuldigte sich der Patient dafür, »dass er sich die Schmerzen einbildet«.
    Obwohl unsere moderne Medizin »ganzheitlich« denkt, versichere ich Ihnen, dass derartige Szenen (vielleicht weniger drastisch) immer noch keine Ausnahme in unserer Schmerzmedizin und Schmerztherapie sind. Oftmals widersprechen sich die Wahrnehmung des Arztes bzw. Therapeuten und des Patienten, sie benutzen nicht dieselbe Sprache. Ein sehr wichtiger Punkt ist also, in der Schmerztherapie über die Wahl der Worte die Verbindung zwischen Körper und Psyche, das heißt zwischen unbewusstem und bewusstem Verhalten herzustellen.
    Eine Methode, die hierzu brauchbares Handwerkszeug liefert, ist die schon erwähnte Hypnotherapie nach Milton Erickson (siehe S. 148 f.). Diese individuelle Kombination von Techniken und Gestaltung des kommunikativen Prozesses ermöglicht einem Patienten, seine Spannung zu harmonisieren. Dabei handelt es sich um einen Weg, der entsteht, während er gegangen wird. Er ist zunächst einmal auch dem Therapeuten nicht bekannt. Damit Sie eine etwas genauere
Vorstellung über solch einen Prozess bekommen, schildere ich im Folgenden noch einmal Auszüge aus der Behandlungssitzung, von der schon die Rede war (S. 164), doch nun wird das Augenmerk vor allem auf den kommunikativen Verlauf gelegt.
    Wie jede Sitzung enthielt auch diese Behandlung mehrere der kommunikativen Techniken und Methoden, die ich in den vorangegangenen Abschnitten erörtert habe. Verbale Techniken über Bewegung, Körperwahrnehmung und Gedanken, manuelle über Bewegen und Atmen. Über Hände und Worte stellte ich Fragen, um an Spannungsinformationen zu gelangen, sie dem Patienten rückzumelden und ihm so zu helfen, sie zu verändern. Währenddessen war ich fortwährend auch bei mir selbst. Es reicht nicht aus, dass ich »objektive Muskelspannungen« spüre und erfasse, somit über eine mögliche Schmerzursache Bescheid weiß, um sie dann mechanisch zu beseitigen. Ich warte, bis Herr M. den Schmerz als sein Verhalten erlebt, das er selbst verändern kann, und mache ihm dies bewusst. An folgendem Beispiel wird ersichtlich, dass sich Ablauf und Dauer der Sitzung sowie Techniken und methodische Inhalte am subjektiven Erleben des Patienten orientieren und von ihm bestimmt werden. Dies wird dadurch möglich, dass ich stets auch mich und meine Gefühle berücksichtige.
    Ich stand am unteren Ende der Therapiebank, in jeder meiner Hände lag eine von Herrn M.s Fersen. Vor allem das rechte Bein »wehrte sich« dagegen, von mir bewegt zu werden. (Es sei nochmals betont: Ich kann dies umso klarer spüren, je entspannter ich selbst bin und je geringer mein Kraftaufwand dabei ist.) Als ich anfing, in seinen Körper zu spüren, den Bewegungen der Beine

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