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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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zum Gelehrten fehlte es ihm an Ausdauer und Verbohrtheit. Ich sorgte gewissenhaft dafür, daß er entsprechend den Anweisungen seines Vaters erzogen wurde, und das Ergebnis war alles in allem, besonders im Griechischen und Arabischen, befriedigend. Um ihm beim Studium des Arabischen helfen zu können, lernte ich diese Sprache ebenfalls, doch nach fünf Jahren kannte er sie ebensogut wie ich – und fast so gut wie der Professor, der uns darin unterrichtete. Da ich ein begeisterter Sportler war – es war meine einzige Leidenschaft –, fuhren wir jeden Herbst zum Jagen und Fischen, manchmal nach Schottland, manchmal nach Norwegen, einmal sogar nach Rußland. Ich bin ein guter Schütze, doch auch auf diesem Gebiet war er mir bald überlegen.
    Als Leo achtzehn war, zog ich wieder in meine frühere Wohnung und ließ ihn auf meinem College immatrikulieren, und mit einundzwanzig errang er seinen akademischen Titel – einen recht respektablen, wenn auch nicht sehr hohen. Damals erzählte ich ihm zum erstenmal von seiner Geschichte und dem auf ihn harrenden Geheimnis. Er war natürlich sehr neugierig, doch ich erklärte ihm, seine Neugier noch nicht befriedigen zu können. Damit ihm die Zeit schneller verging, schlug ich ihm vor, die Rechte zu studieren. Er war damit einverstanden und hörte die Vorlesungen in Cambridge.
    Ich hatte seinetwegen nur eine Sorge: Fast jedes junge Mädchen, das ihm über den Weg lief, verliebte sich in ihn, und daraus entstanden allerlei Schwierigkeiten, auf die ich hier jedoch nicht näher eingehen möchte. Ich muß sagen, daß er sich im allgemeinen sehr korrekt benahm.
    So verging die Zeit, und schließlich erreichte er seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag, an dem diese seltsame und in mancher Hinsicht unheimliche Geschichte beginnt.

3
     
    Die Amenartasscherbe
     
     
    Am Tag vor Leos fünfundzwanzigstem Geburtstag fuhren wir nach London und holten von der Bank den vor zwanzig Jahren deponierten Kasten ab. Der gleiche Angestellte, dem ich ihn damals übergeben hatte, händigte ihn mir aus. Er erinnerte sich genau, wo er ihn untergestellt hatte. Hätte er das nicht mehr gewußt, so wäre es ihm schwergefallen, ihn zu finden, denn er war über und über mit Spinnweben bedeckt.
    Am Abend kehrten wir mit unserer kostbaren Last nach Cambridge zurück. Wir taten beide in dieser Nacht vor Aufregung kaum ein Auge zu, und schon in aller Frühe erschien Leo im Schlafrock in meinem Zimmer und bat mich, sofort ans Werk zu gehen. Ich fand diese Neugier unziemlich und sagte ihm, der Kasten habe zwanzig Jahre lang gewartet, und so könne er wohl jetzt auch noch bis nach dem Frühstück warten. Um Punkt neun Uhr setzten wir uns an den Frühstückstisch, und ich war so in Gedanken versunken, daß ich statt seines Zuckerwürfels ein Stück Schinken in Leos Tee warf. Auch Job wurde von der Erregung angesteckt und zerbrach den Henkel meiner wertvollen Teetasse aus Sevres-Porzellan, aus der Marat seinen Tee getrunken haben soll, bevor er im Bad erstochen wurde.
    Endlich war abgeräumt. Job holte auf meine Anweisung den Kasten, stellte ihn behutsam, als traue er der ganzen Sache nicht recht, auf den Tisch und wollte das Zimmer verlassen.
    »Warte, Job«, sagte ich. »Wenn Mr. Leo nichts dagegen hat, so hätte ich gern einen unparteiischen Zeugen dabei, der den Mund halten kann.«
    »Einverstanden, Onkel Horace«, erwiderte Leo, der mich seit seiner Kindheit ›Onkel‹ zu nennen pflegte.
    Job salutierte scherzhaft, indem er sich mit der Hand an die Schläfe tippte.
    »Verschließe die Tür, Job«, sagte ich, »und hole meine Dokumentenmappe.«
    Er brachte sie, und ich entnahm ihr die Schlüssel, die mir Vincey, Leos armer Vater, in der Nacht vor seinem Tode übergeben hatte. Es waren drei – der größte ein verhältnismäßig moderner Schlüssel, der zweite uralt und der dritte ein ganz merkwürdiges Ding, wie ich es nie zuvor gesehen hatte: er bestand aus massivem Silber, hatte eine als Griff dienende Querstange, in die mehrere Kerben eingeschnitten waren, und ähnelte so einem vorsintflutlichen Schraubenschlüssel.
    »Seid ihr bereit?« fragte ich, als wollte ich eine Mine sprengen. Da beide schwiegen, nahm ich den großen Schlüssel, strich etwas Salatöl auf den Bart, steckte ihn, nachdem meine zitternde Hand zweimal danebengetroffen hatte, ins Schloß und drehte ihn herum. Leo beugte sich vor, packte mit beiden Händen den Deckel und klappte ihn auf, was ihn einige Mühe kostete, da offenbar die

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