Sie
fünfundzwanzig bis dreißig Meilen entfernt. Wir waren nun völlig erschöpft und glaubten das Boot mit unseren mit Blasen bedeckten Händen keinen Meter weiterziehen zu können. Am liebsten hätten wir uns hingelegt und in dieser entsetzlichen sumpfigen Einöde auf unser Ende gewartet. Es war eine furchtbare Situation, in der sich wohl kaum ein anderer zivilisierter Mensch je befunden hat; und als ich mich im Boot ausstreckte, verfluchte ich, bevor ich in einen Schlaf tiefster Erschöpfung sank, bitterlich die Torheit, die mich veranlaßt hatte, mich an einem so wahnwitzigen Unternehmen, das, wie mir jetzt klar war, nur mit unserem Tod in diesem grausigen Land enden konnte, zu beteiligen. Während ich langsam einschlummerte, stellte ich mir vor, wie unser Boot und seine unglückliche Mannschaft in zwei oder drei Monaten aussehen würden. Mit klaffenden Fugen würde es daliegen, halb voll stinkendem Wasser, das der den Nebel vor sich hertreibende Wind über unsere modernden Gebeine spülte, und das würde das Ende von uns sein, die wir uns anmaßten, einen Mythos zu erforschen und die Rätsel der Natur zu entschleiern.
Schon glaubte ich zu hören, wie das Wasser gegen unsere ausgedörrten, klappernden Gebeine schlug, wie mein Schädel gegen den Mahomeds und seiner gegen meinen rollte, und dann richtete Mahomed sich auf und starrte mich mit leeren Augenhöhlen an und verfluchte mich mit grinsenden Kinnladen, weil ich, ein Hund von einem Christen, einen wahren Gläubigen in seiner letzten Ruhe störte. Ich öffnete die Augen und erschauderte über meinen grauenvollen Traum, und sodann packte mich ein neuer Schauder, doch dies war kein Traum – zwei große Augen starrten funkelnd durch das trübe Dunkel auf mich nieder. Ich fuhr hoch und stieß einen entsetzten Schrei aus, so daß die anderen erwachten und gleichfalls schläfrig taumelnd und verwirrt aufsprangen. Und plötzlich blitzte kalter Stahl auf, und ein langer Speer berührte meinen Hals, und dahinter sah ich das Glitzern anderer Speere.
»Friede«, sagte eine Stimme auf arabisch oder in einem Dialekt, der dem Arabischen stark glich. »Wer seid ihr, die ihr auf dem Wasser dahergeschwommen kommt? Sprecht, oder ihr seid des Todes« – und der Stahl drückte sich so fest in meinen Hals, daß es mich kalt überlief.
»Wir sind Reisende, die der Zufall hierher verschlagen hat«, erwiderte ich in meinem besten Arabisch, das sie zu verstehen schienen, denn der Mann wandte den Kopf und sagte zu einer großen Gestalt im Hintergrund: »Vater, sollen wir sie töten?«
»Was ist die Farbe dieser Männer?« antwortete eine tiefe Stimme.
»Weiß ist ihre Farbe.«
»Tötet sie nicht«, lautete die Antwort. »Vor vier Sonnen sandte ›Sie‹, die Herrscherin, mir die Nachricht: ›Weiße Männer kommen, tötet sie nicht, sondern bringt sie zu mir.‹ Holt also die Männer und alles, was sie mit sich führen, aus dem Boot.«
»Komm!« sagte der Mann und zerrte mich an Land, und ich sah, daß andere Männer das gleiche mit meinen Gefährten taten.
Am Ufer stand eine Schar von etwa fünfzig Männern. Soviel ich in dem Halbdunkel erkennen konnte, waren sie alle mit riesigen Speeren bewaffnet, hoch gewachsen, kräftig und von verhältnismäßig heller Hautfarbe. Abgesehen von einem um die Hüften geschlungenen Leopardenfell waren sie nackt.
Gleich darauf brachten sie auch Leo und Job herbeigeschleppt und stellten sie neben mich.
»Was, zum Teufel, ist denn los?« rief Leo, sich die Augen reibend.
»Mein Gott! Jetzt sitzen wir schön in der Tinte!« rief Job, und im gleichen Augenblick taumelte Mahomed auf uns zu, von einer dunklen Gestalt mit erhobenem Speer gefolgt.
»Allah! Allah!« jammerte Mahomed. »Hilf mir! Hilf mir!«
»Vater, dies ist ein Schwarzer«, sagte eine Stimme. »Was soll nach dem Willen der Herrscherin mit ihm geschehen?«
»Sie sagte nichts von ihm; doch tötet ihn nicht. Komm her, mein Sohn.«
Der Mann trat zu ihm, und die große dunkle Gestalt beugte sich zu ihm nieder und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
»Gut, gut«, sagte der Mann und stieß ein Lachen aus, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Sind die drei Weißen da?« fragte die Gestalt.
»Ja, sie sind da.«
»Dann holt, was für sie vorbereitet ist, und nehmt ihre Sachen aus dem Floß.«
Kaum hatte er dies gesagt, kamen Männer herbeigeeilt, die – ich traute meinen Augen kaum – Sänften auf ihren Schultern trugen, und man bedeutete uns, darin Platz zu nehmen.
»Wie
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