Sie
und so eure Köpfe vor dem heißen Topf retten konnte?«
»Ja, o Königin«, erwiderte ich leise. »Dann blicke auf dieses Wasser«, und sie deutete auf das Wasserbecken, beugte sich vor und hielt ihre Hand darüber. Ich erhob mich und starrte auf das Wasser, welches sich im gleichen Augenblick verdunkelte. Dann wurde es wieder klar, und ich sah ganz deutlich – den schrecklichen Kanal und darauf unser Boot. Leo lag darin auf dem Boden und schlief, einen Mantel über sich gebreitet, der die Moskitos fernhielt und sein Gesicht verbarg; und ich, Job und Mahomed zogen am Ufer das Boot.
Ich fuhr erschrocken zurück und rief, das sei ja Zauberei, denn diese Szene kannte ich – so hatte sie sich wirklich zugetragen.
»Nein, nein, o Holly«, sprach sie, »das ist nicht Zauberei; das glaubst du nur in deiner Unwissenheit. Es gibt keine Zauberei, sondern nur ein Wissen um die Geheimnisse der Natur. Dieses Wissen ist mein Spiegel. In ihm sehe ich, was geschieht, wenn ich Lust verspüre, die Bilder heraufzubeschwören, was nicht oft vorkommt. Ich kann dir darin alles aus der Vergangenheit zeigen, wenn es etwas ist, was mit diesem Land oder mit meiner oder deiner Vergangenheit zusammenhängt. Wenn du willst, stelle dir ein Gesicht vor, und deine Gedanken werden es auf dem Wasser widerspiegeln. Noch kenne ich nicht das ganze Geheimnis – ich kann nichts sehen, was in der Zukunft liegt. Ich habe dieses Geheimnis jedoch nicht entdeckt, es ist schon sehr alt. In Arabien und Ägypten kannten es die Zauberer schon vor vielen Jahrhunderten. Eines Tages dachte ich zufällig an jenen alten Kanal, auf dem ich vor zwanzig Jahren segelte, und ich wünschte mir, ihn zu sehen. So blickte ich in das Wasser und sah das Boot, drei Männer, die am Ufer gingen, und einen, dessen Gesicht ich nicht erkennen konnte – einen Jüngling von edler Gestalt, der im Boot schlief. Deshalb gab ich Befehl, euch zu retten. Doch jetzt leb wohl. Nein, halt, erzähle mir von diesem Jüngling – dem Löwen, wie der Alte ihn genannt hat. Ich würde ihn gern sehen, doch du sagtest ja, er sei krank, er habe Fieber und sei bei dem Kampf mit den Barbaren verwundet worden.«
»Ja, er ist sehr krank«, erwiderte ich traurig. »Kannst du ihm nicht helfen, o Königin, die du so viel weißt?«
»Gewiß kann ich das. Ich kann ihn heilen; doch warum sprichst du so traurig? Liebst du den Jüngling? Ist er vielleicht dein Sohn?«
»Er ist mein Adoptivsohn, o Königin! Soll ich ihn zu dir bringen lassen?«
»Nein. Wie lange liegt er schon im Fieber?«
»Heute den dritten Tag.«
»Gut; lasse ihn noch einen Tag liegen. Dann wird er es vielleicht aus eigener Kraft überwinden, und das ist besser, als wenn ich ihn heile, denn meine Medizin ist so stark, daß sie das Leben in ihren Grundfesten erschüttert. Ist er jedoch morgen abend, zu der Stunde, da das Fieber ihn befiel, noch nicht gesundet, so werde ich zu ihm kommen und ihn heilen. Sag, wer pflegt ihn?«
»Unser weißer Diener; jener, den Billali das Schwein nennt. Und außerdem«, hier zögerte ich ein wenig, »ein Mädchen namens Ustane, ein sehr hübsches Mädchen aus diesem Lande, welches ihn, als es ihn zum erstenmal erblickte, umarmte und seither, wie es angeblich bei deinem Volke Sitte ist, bei ihm blieb, o Königin.«
»Mein Volk! Nenne es nicht mein Volk«, antwortete sie hastig. »Diese Sklaven sind nicht mein Volk, sie sind nur Hunde, die mir dienen, bis der Tag meiner Befreiung kommt; und mit ihren Sitten will ich nichts zu schaffen haben. Und nenne mich auch nicht Königin – ich bin der Schmeicheleien und Titel müde –, nenne mich Ayesha, der Name klingt süß in meinen Ohren, er ist ein Echo aus der Vergangenheit. Diese Ustane kenne ich nicht. Ob es wohl die ist, vor der ich gewarnt wurde und die ich dann meinerseits warnte? Hat sie – doch halt, ich will selbst sehen«, und sie beugte sich vor, strich mit ihrer Hand über das Wasser und blickte aufmerksam hinein. »Da, sieh«, sagte sie leise, »ist dies das Mädchen?«
Ich schaute ins Wasser und sah, gespiegelt auf seiner glatten Oberfläche, die Umrisse von Ustanes schönem Antlitz. Sie beugte sich mit einem Blick voll unendlicher Zärtlichkeit vor, so daß ihre kastanienbraunen Locken über ihre rechte Schulter fielen, und betrachtete etwas unter sich.
»Ja, das ist sie«, flüsterte ich, zutiefst bestürzt über diesen höchst merkwürdigen Anblick. »Sie bewacht Leos Schlaf.«
»Leo!« sagte Ayesha in nachdenklichem Ton. »Das heißt
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