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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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hältst. Nun geh.«
    Billali erhob sich mit erstaunlicher Behendigkeit auf seine Knie, verneigte sich dreimal und kroch, seinen weißen Bart über den Boden schleifend, durch das Gemach zurück, bis er schließlich zwischen den Vorhängen verschwand und mich zu meiner nicht geringen Bestürzung mit diesem unheimlichen und doch höchst faszinierenden Weib zurückließ.

13
     
    Ayesha entschleiert sich
     
     
    »Er ist fort, der weißbärtige alte Narr«, sagte ›Sie‹. »Ach, wie wenig Wissen erwirbt doch der Mensch in seinem Leben.
    Wie Wasser sucht er es zu sammeln, doch wie Wasser rinnt es durch seine Finger, und sind seine Finger auch nur ein wenig benetzt, so ruft gleich ein Heer von Narren: ›Seht, welch ein Weiser!‹ Ist es nicht so? Doch sag mir, wie heißt du? Er nennt dich ›Pavian‹«, fuhr sie lachend fort, »doch das ist bei diesen Wilden, denen es an Phantasie mangelt, so Brauch. Sie geben einander die Namen von Tieren, denen sie ähneln. Wie nennt man dich in deinem eigenen Land, Fremdling?«
    »Ich heiße Holly, o Königin«, erwiderte ich.
    »Holly«, wiederholte sie ein wenig mühsam, doch mit einem entzückenden Akzent. »Und was bedeutet ›Holly‹?«
    »Holly ist ein stacheliger Baum * «, sagte ich.
    »Ja, wirklich, du siehst aus wie ein Baum mit Stacheln, stark und häßlich. Doch wenn mich nicht alles täuscht, so bist du durch und durch ehrlich und verläßlich. Und auch ein scharfer Denker. Doch komm, Holly, bleibe nicht dort stehen; tritt ein und setze dich zu mir. Ich möchte nicht, daß du vor mir kriechst wie jene Sklaven. Ihrer Verehrung und ihrer Furcht bin ich müde; manchmal, wenn sie mich belästigen, hätte ich fast Lust, sie umzubringen.« Sie zog mit ihrer elfenbeinweißen Hand den Vorhang weg, und ich trat schaudernd ein. Dieses Weib war schrecklich. Hinter den Vorhängen befand sich ein Alkoven, etwa zwölf Fuß lang und zehn Fuß breit; darin standen ein Ruhebett und ein Tisch mit einer Schale voller Früchte und einem Krug klaren Wassers. Daneben stand ein ebenfalls mit Wasser gefülltes steinernes Becken. Mehrere Lampen in der Form der bereits erwähnten schönen Krüge erfüllten den Raum mit sanftem Licht, und ein zarter Duft hing in der Luft. Auch das herrliche Haar und das weiße Gewand der Herrscherin schienen einen angenehmen Duft auszuströmen. Ich trat in das kleine Gemach und blieb unschlüssig stehen.
    »Setze dich«, sagte sie und deutete auf das Ruhebett. »Noch hast du keinen Grund, mich zu fürchten. Und wenn du Grund hast, wird deine Furcht nicht lange dauern, denn ich werde dich töten. Sei also leichten Herzens.«
    Ich setzte mich auf das Fußende des Ruhebettes neben das Wasserbecken, und sie ließ sich sanft auf das andere Ende nieder.
    »Sag, Holly«, fragte sie, »wie kommt es, daß du Arabisch sprichst? Es ist meine eigene liebe Sprache, denn ich bin von Geburt Araberin, ja sogar ›al Arab al Ariba‹, eine Araberin der Araber, aus dem Geschlecht unseres Vaters Yárab, dem Sohne Kâhtans, geboren in der schönen alten Stadt Ozal in der glücklichen Provinz Jemen. Doch du sprichst die Sprache anders, als wir sie zu sprechen pflegten. Deiner Rede fehlt der süße Wohllaut der Hamyars, die ich meistens sprechen hörte. Auch einige deiner Worte lauten anders als bei den Amahaggern, welche das Arabische entstellt und verunreinigt haben, so daß ich mit ihnen fast in einer mir fremden Sprache reden muß.« *
    »Ich habe sie viele Jahre lang studiert«, erwiderte ich. »Auch spricht man sie noch in Ägypten und anderen Ländern.«
    »Sie wird also noch gesprochen, und es gibt noch ein Ägypten? Welcher Pharao sitzt heute auf dem Thron? Immer noch einer aus der Brat des Persers Ochus, oder sind die Achämeniden dahingegangen?«
    »Die Perser sind schon seit fast zweitausend Jahren aus Ägypten verschwunden, und nach ihnen haben die Ptolemäer, die Römer und viele andere das Land am Nil beherrscht und sind gestürzt, wenn ihre Zeit reif war«, sagte ich zutiefst erstaunt. »Wie kannst du von dem Perser Artaxerxes wissen?«
    Sie lachte, ohne mir zu antworten, und wieder überlief mich ein Schauder. »Und Griechenland?« fragte sie. »Gibt es noch ein Griechenland? Ach, die Griechen habe ich geliebt. Sie waren schön wie der Tag und klug, doch dabei tief im Innern wild und launenhaft.«
    »Ja«, sagte ich, »ein Griechenland gibt es, und die Griechen sind auch wieder ein Volk. Doch die Griechen von heute sind nicht mehr die gleichen wie einst, und auch

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