Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
kann, wenn man schläft, die Nerven nicht dazu bringen, sich in genau den gleichen feinen Mustern zu entladen wie wenn man wach ist und etwas betrachtet. Wie also konnte ich in Farbe »sehen« und in allen Einzelheiten, wenn ich schlief?
Ich entschied, es müsse eine »Interpretations -Abteilung« geben. Wenn man wirklich etwas betrachtet - einen Menschen, eine Lampe oder eine Wand -, sieht man nicht bloß Farbflecken. Etwas sagt einem, was es ist; es muß interpretiert werden. Wenn man schläft, arbeitet diese Interpretations-Abteilung weiter, aber es geht alles drunter und drüber. Sie sagt einem, daß man ein menschliches Haar in allen Einzelheiten sieht, auch wenn das nicht stimmt. Sie interpretiert den Kram, der zufällig ins Gehirn kommt, als deutliches Bild.
Noch ein Wort zu den Träumen. Ich hatte einen Freund namens Deutsch, dessen Frau aus einer Wiener Psychoanalytiker-Familie stammte. Eines Abends erzählte er mir während einer langen Diskussion über Träume, daß Träume eine Bedeutung hätten: in Träumen gäbe es Symbole, die sich psychoanalytisch interpretieren ließen. Das meiste von dem Zeug glaubte ich nicht, aber in der Nacht hatte ich einen interessanten Traum: Wir sind an einem Billard-Tisch und spielen mit drei Kugeln - einer weißen, einer grünen und einer grauen Kugel -, und der Name des Spiels ist »Titsies«. Irgendwie ging es darum, daß man versuchen mußte, die Kugeln in das Loch hineinzubekommen: die weiße und die grüne Kugel sind leicht in das Loch zu treiben, aber an die graue komme ich nicht heran.
Ich wache auf, und der Traum ist sehr leicht zu deuten: der Name des Spiels sagt es ja schon, klar - das sind Mädchen! Bei der weißen Kugel war es leicht herauszubekommen, denn ich ging heimlich mit einer verheirateten Frau, die zu der Zeit als Kassiererin in einer Cafeteria arbeitete und eine weiße Uniform trug. Bei der grünen war es ebenfalls leicht, weil ich ungefähr zwei Abende vorher mit einem Mädchen, das ein grünes Kleid getragen hatte, in einem Autokino gewesen war. Aber die graue - was zum Teufel war die graue Kugel? Ich wußte, es mußte irgendwer sein; ich spürte es. Es ist, wie wenn man versucht, sich an einen Namen zu erinnern, man hat ihn auf der Zunge, aber er fällt einem nicht ein.
Ich brauchte einen halben Tag, bis ich mich erinnerte, daß ich mich von einem Mädchen verabschiedet hatte, das ich sehr mochte und das ungefähr zwei oder drei Monate vorher nach Italien gefahren war. Sie war ein sehr nettes Mädchen, und ich hatte beschlossen, wenn sie zurückkam, wollte ich sie wiedersehen. Ich weiß nicht, ob sie ein graues Kostüm trug, aber sobald ich an sie dachte, war es völlig klar, daß sie die graue Kugel war.
Ich ging zu meinem Freund Deutsch und sagte zu ihm, er habe wohl recht: es ist etwas daran an der Analyse von Träumen. Aber als er von meinem interessanten Traum hörte, meinte er: »Nein, das war zu perfekt - zu eindeutig. Gewöhnlich muß man ein bißchen mehr analysieren.«
Der Chef-Chemiker der Metaplast Corporation
Nachdem ich am MIT meinen Abschluß gemacht hatte, wollte ich einen Job für den Sommer haben. Ich hatte mich zwei- oder dreimal bei den Bell Labs beworben und war ein paarmal zu Besichtigungen dort gewesen. Bill Shockley, der mich von dem Labor am MIT her kannte, hatte mich jedesmal herumgeführt, und mir machten diese Besichtigungen unheimlichen Spaß, aber einen Job habe ich dort nicht bekommen.
Ich hatte Empfehlungsschreiben von einigen meiner Professoren für zwei bestimmte Firmen. Das eine war an die Bausch and Lomb Company gerichtet, die daran arbeitete, Strahlen mit Hilfe von Linsen aufzuspüren; das andere war an die Electrical Testing Labs in New York gerichtet. Zu der Zeit wußte niemand, was eigentlich ein Physiker ist, und in der Industrie gab es für Physiker keine Stellen. Ingenieure, o. k.; aber Physiker - keiner wußte, wie man die einsetzen sollte. Es ist interessant, daß es sehr bald, nach dem Krieg, genau umgekehrt war: da wollten die Leute überall Physiker haben. So kam ich als arbeitsuchender Physiker in den letzten Jahren der Depression einfach nicht weiter.
Ungefähr zu der Zeit traf ich am Strand bei unserer Heimatstadt Far Rockaway, wo wir zusammen aufgewachsen waren, einen alten Freund wieder. Wir waren zusammen zur Schule gegangen, als wir ungefähr elf oder zwölf waren, und wir waren damals eng befreundet. Wir hatten beide eine Neigung zur Wissenschaft. Er hatte ein »Labor«, und ich hatte
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