Sie fielen vom Himmel
schön … oh, das ist schön. Deine Haare … wie weich, Inge – ich bin so glücklich.« Er hustete vom Sprechen und stieß blutigen Schaum aus. Er floß über sein Kinn auf die Brust. Renate tupfte ihn mit großen Zellstofflagen auf und bettete den Kopf wieder auf den Strohsack. »Du darfst nicht soviel sprechen«, sagte sie mild. »Es ist so schön, daß du da bist, Inge …« Die stieren Augen blickten durch Renate hindurch. Er hob die rechte Hand und tastete mit ihr das Gesicht Renates ab … erst die Haare, dann die Stirn, die Brauen, die Augen, die Nase, den Mund, das Kinn bis zum Hals. Ein seliges Lächeln überflog sein gelbes, eingefallenes, schon vom Tode zugespitztes Gesicht. »Wie schön du bist«, röchelte er. »Mach das Licht an … es ist so dunkel … ich will dich sehen, Inge …« Plötzlich bäumte er sich auf, er umklammerte ihre Schulter, sein bleiches Gesicht mit den starren Augen und dem blutigen Schaum auf den Lippen war dicht vor ihr. »Küß mich!« wimmerte er. »Inge – Inge – küß mich … Oh – ich fühle dich – ich fühle dich – Inge!«
Seine Augen wurden trüb, man sah, wie das Leben aus ihnen wich, wie ein Schatten, ein Schleier über sie hinwegglitt. Der Körper sank nach vorn in Renates Arme, wurde schwer wie Blei und drückte sie auf die Knie.
Vorsichtig, als könne er noch Schmerzen empfinden, legte sie ihn zurück auf das Stroh, faltete seine Hände über der Brust und drückte die Lider über die erloschenen Augen. Auf seinen Lippen stand noch der Schrei des Namens. Schwankend erhob sich Renate und ging in das Zimmer Pahlbergs. Er sah sie kurz an und wandte sich wieder dem Verwundeten zu, der vor ihm lag. »Weimann?« fragte er.
»Ja, Erich.« Sie lehnte sich gegen die kalte Wand. »Es war furchtbar. Er nannte mich Inge und wollte mich küssen.«
Pahlberg senkte den Kopf. »Inge hieß seine Braut … Er wollte im nächsten Urlaub heiraten.« Er schluckte und fühlte sein Herz trommeln. »Wie wir, Renate«, fügte er leise hinzu. Wortlos, von Entsetzen gepackt, verließ sie fast flüchtend das Zimmer.
Am 15. Mai gelang es den alliierten Regimentern, im Süden des Monte Cassino in die deutsche Stellung einzubrechen. Am 16. Mai brachen sie im Nordteil der Gustav-Stellung durch, auf dem Calvarienberg und vor der Massa Albaneta lagen sie in den Felsen, sich festkrallend wie ein seinen Horst bauender Adler. Die polnischen Karpatenjäger.
Der Monte Cassino war eingeschlossen, zu beiden Seiten rollten die Truppen der 5. Armee die deutschen Stellungen auf. Wie eine Klippe im wildbewegten Meer lag einsam der Monte Cassino in der Schlacht, unerreicht, uneinnehmbar, solange die deutschen Fallschirmjäger in dem Gebirge von Schutt und Trümmern lagen.
Oberst Stucken schickte, bevor auch er die Albaneta räumen mußte, um sich nach Roccasecca zurückzuziehen, den letzten Melder hinauf in das Kloster. Dann riß die Verbindung endgültig ab. Die Insel war geschaffen … die Insel der verlorenen Grünen Teufel vom Monte Cassino.
Major v. Sporken las das kleine schmutzige Blatt vor, das der auf dem Weg durch die Todesschlucht verwundete Melder ihm gebracht hatte. Um ihn herum standen Hauptmann Gottschalk, verwundet, mit verbundenem Kopf, Leutnant Mönnig, den zerschossenen linken Arm geschient in der Binde tragend, Stabsarzt Dr. Pahlberg und ein junger Leutnant der Nebelwerferabteilung.
»Meine Herren!« sagte v. Sporken. Seine Stimme hatte in diesem Augenblick den harten, forschen Ton, als stände er vor seinen Offizieren und bespreche eine Felddienstübung. »Der Kommandeur hat vorhin folgende Nachricht durchgegeben. Es ist kein Befehl mehr, denn Befehle können in diesem Stadium des Krieges nicht mehr gegeben werden. Ich verlese die Nachricht: ›Beiderseits unserer Stellungen ist der Feind eingebrochen und rollt sowohl nach Westen als auch in den Flanken unsere Stellungen auf. Die 34. Fallschirmjäger-Division ist auf Grund eines Armeebefehles gezwungen, sich um einige Kilometer nach Westen abzusetzen in Richtung von Roccasecca. Das bedeutet, daß die Verteidigung des Klosters Monte Cassino abgeschnitten ist. Ich stelle es allen meinen Leuten frei, sich entweder in amerikanische Gefangenschaft zu begeben oder zu versuchen, sich zur Division durchzuschlagen. Der Berg braucht nicht mehr gehalten zu werden. Er hat in diesem Augenblick seine strategische Aufgabe erfüllt. Ich bin stolz auf meine so einmalig tapferen Fallschirmjäger, auf die seit vier Monaten die ganze Welt
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