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"Sie koennen aber gut Deutsch!"

"Sie koennen aber gut Deutsch!"

Titel: "Sie koennen aber gut Deutsch!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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recht. Interessiert man sich für ihre Kultur, ist es ihnen auch nicht recht. Was ist ihnen denn nun recht? Also auch Ihnen, Lena Gorelik, die Sie immerhin in diesem Ihren eigenen, nicht immer angenehmen, ja lassen Sie es mich so formulieren, bissigen Ton diese Zeilen schreiben?
    Ein gerechter Vorwurf. Könnte das vielleicht stimmen? Auf den ersten Blick vielleicht.
    Auf den zweiten Blick aber hätte ich noch eine Nachfrage.
Wer sind denn »ihnen«, wer sind denn diese »sie«? Die Ausländer im Allgemeinen? Die Menschen mit Migrationshintergrund? Die Türken und die Südamerikaner? »Sie« wie »die«? »Die Ausländer«?
    Â»Die Deutschen« – wie viele finden das schön?
    Fühle ich mich moralisch überlegen und rede und schreibe überheblich arrogant daher? Bin ich ein besserer Mensch? Mit Sicherheit nicht. Aber ich versuche, wenn ich jemanden kennenlerne, den Menschen in ihm zu sehen. Ich lerne Menschen kennen, nicht Völker, Ethnien, Länder, Religionen. Individuum versus »die Südamerikaner«, versus »die Araber«, versus »die Deutschen«.
    Was macht einen Ausländer zu einem guten, also einem interessanten Ausländer? Die Faktoren, die Gründe ändern sich, manche verlieren an Bedeutung, andere kommen neu hinzu, es entstehen Trends. In den vergangenen Monaten, wenn nicht gar Jahren hat der christliche Kulturkreis an Bedeutung gewonnen, man könnte auch negativ, sprich: direkt formulieren: Wer nicht dem abendländischen Kulturkreis zuzurechnen ist, hat schon mal schlechte Karten für einen der vorderen Plätze auf der Rangliste. Auch Geld spielt – wie fast immer im Leben – eine Rolle. Wer aus einem eher reicheren  – wobei reich in der Assoziationskette sofort »zivilisiert« nach sich zieht – Land kommt, kann so gefährlich nicht sein. Arm ist hingegen = Bettler = »will unser = mein persönliches Geld«. Nicht selten entscheidet die wirtschaftliche Situation in unserem eigenen Land über den Beliebtheitsgrad von Migranten: Werden dringend Fachkräfte gebraucht, sind selbst politische Parteien, die der Zuwanderung sonst eher skeptisch gegenüberstehen, plötzlich sehr an Migranten interessiert. Aber nicht an Migranten im Allgemeinen, sondern an Migranten mit bestimmten Berufen aus bestimmten Ländern. Wir
möchten uns unsere Ausländer gerne passgenau aussuchen, manchmal kommen welche, die wir nicht hier haben wollen, und aktuell kommen diejenigen, die wir für unseren Arbeitsmarkt gerne wollen, nicht. Viele andere Faktoren spielen bei der Erstellung solcher Ranglisten eine Rolle: die geographische Nähe des jeweiligen Herkunftslandes zu Deutschland, dessen Geschichte, selbst die Essenskultur, die Sprache, die aktuelle politische Situation … Unser Wissen darüber und unser Nicht-Wissen, also unsere Klischees. Und wohl immer noch die Frage, wie man aussieht. Die Hautfarbe, die Art, sich zu kleiden, die Körperbehaarung gar. Machen die Skandinavier weniger Angst, weil sie groß, blond, blauäugig sind? Ich denke lieber nicht darüber nach.
    Vielleicht ist es etwas Menschliches, so zu denken. Wahrscheinlich sogar. Manche meiner linksalternativen Freunde finden jeden in einem maßgeschneiderten Anzug verdächtig, ohne – so meine ich zumindest in meiner ebenfalls voreingenommenen Welt – einen maßgeschneiderten Anzug von einem von der Stange bei H & M unterscheiden zu können. Das sind vielleicht Menschen, denen die Araber nicht fremder erscheinen als die Südamerikaner, umso verdächtiger finden sie aber »Anzugs menschen«. Selbst auf tierischer Ebene funktioniert dieses Prinzip und ist vielleicht deshalb umso menschlicher. Fast täglich gehe ich im Englischen Garten in München mit meinem Hund spazieren. Meinem Hund, der ein Mischling aus unzähligen Rassen ist, ein gebürtiger Slowake, der trotz sorgfältigen Bürstens und teurer Fellpflege mit einer Lavendel-Spülung, die mehr kostet als meine Haarwaschprodukte, zottelig, verstrubbelt und zerzaust aussieht, eine undefinierbare Farbe zwischen schwarz, grau und einen rötlichen Bart hat, leicht zu lang ist und aufgrund dieser falschen Proportionen mit seinem Hintern wackelt, als sei er eine unanständige
Frau, und wohl der einzige Hund im Englischen Garten ist, der auch nach dem siebten »Bring’s!«-Ruf den Ball nicht zurückbringt,

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