"Sie koennen aber gut Deutsch!"
»Turban« denken und auÃerdem daran â auch wenn das wieder einmal keiner laut aussprechen würde â, dass die ja schon so ein bisschen dreckig aussehen, dreckig, weil nicht richtig schwarz, aber auch nicht richtig weiÃ. Und beten die dort nicht sogar Kühe an? Hoch verdächtig, das Land! Aus Spanien sind übrigens definitiv zu wenige da, das ist doch ein feines, sonniges Land mit sehr schönen Stränden, wo man es versteht zu feiern (nur leider sind dort, wo die Spanier wissen, wie man feiert, manchmal auch Russen und Engländer, nicht nur die Deutschen, was für eine Frechheit!). Und wenn man nicht feiern will, dann kann man abseits von El Arenal auf Mallorca auch schön wandern, was viele ja nicht wissen, weshalb es einem ein jeder erzählt. Die Spanier jedenfalls â die
machen doch auch diese leckeren Tapas oder wie die Dinger heiÃen und trinken Sangria und Rioja, was beides nicht schlecht ist, wenn auch nicht so gut wie das deutsche Bier â, und deshalb dürften die herkommen, wenn denn schon jemand kommen muss. Muss. Ansonsten bleiben wir auch gerne unter uns.
Und wer ist noch einmal »uns«? Ach ja, die Urdeutschen an sich. Deutschland, das Land der Deutschen.
Blöde Ironie. Schleicht sich im Schreibprozess immer wieder einfach so ein.
Was ich sagen wollte, unironisch eigentlich, was schwerfällt, weil es schwerfällt, diesen Gedankenprozess nachzuvollziehen, ist: Dass in den Köpfen vieler Menschen hierzulande eine nicht-offizielle, niemals zu veröffentlichende, individuell unterschiedliche Rangliste der Herkunftsländer potenzieller Migranten existiert. Vereinfacht gesagt: so eine Art Hitliste der Ausländer, denn es gibt die guten (oder die besseren) und die anderen, die man nicht hier haben möchte. Niemand würde das Vorhandensein einer solchen Liste zugeben, aber die wenigsten würden sie in einem vertraulichen Gespräch komplett abstreiten.
Denn, wie antworten Sie ehrlich auf die Frage: »Wenn Sie sich jemanden als Sitznachbarn im Flugzeug aussuchen dürften, wen würden Sie wählen?«, wenn als Antwort zur Auswahl steht:
einen Nigerianer
einen Palästinenser
einen Deutschen
einen US-Amerikaner
einen Türken.
Ich spreche bewusst von einer männlichen Person. Und bevor Sie die politisch korrekte Antwort geben oder auch die
eines viel gereisten, an fremden Kulturen interessierten Weltbürgers, müsste man noch wissen, dass man erstens einen langen Flug vor sich hat und zweitens bei der Beantwortung dieser Frage an einen Lügendetektor angeschlossen wird.
Und jetzt die Antwort bitte.
Ist doch klar, es ist ja nur, weil man sich seit dem 11. September 2001 eben nicht mehr sicher fühlen kann; sich sowieso nur schwer sicher fühlen kann neben einem Palästinenser, die sprengen sich ja immer wieder in die Luft; und das afrikanische Essen, das der Sitznachbar sich eingepackt haben könnte, das riecht ja wirklich manchmal ein bisschen streng oder, sagen wir es vorsichtig, gewöhnungsbedürftig; und es ist eben ein langer Flug. (Schon wieder zurück, Du Ironie?). Ist es ja auch, keine Frage. Ein langer Flug ist ein langer Flug, aber der ist trotzdem irgendwann einmal vorbei, während die Migranten für länger bleiben, für den Rest des Lebens wahrscheinlich. Ihres und unseres. Die gehen heutzutage ja nicht mehr brav zurück, wie die Gastarbeiter es â zumindest vereinzelt â einmal taten (und weiterhin hätten tun sollen). Nein, die bleiben. Und kochen Abend für Abend ihr, sagen wir mal, »sonderbar« riechendes Essen in der Wohnung nebenan.
Wahlweise auch: russisches Essen. Ich erwähne das nur deshalb, weil ich das vor kurzem so gehört habe. Manchmal mache ich Veranstaltungen in Hauptschulen, ich, die deutschrussische Autorin, also die Russin, liest; und ein deutschtürkischer Kabarettist, also der Türke, spielt Kabarett, ein Begriff, den er in den Hauptschulen erklären muss, »das ist wie Comedy, nur politischer«. Wir machen das auch, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk meint, etwas für Migrantenkinder tun zu müssen, nachdem er das muttersprachliche, also das Migranten-Radio, aus Spargründen abgeschafft hat. Wir machen das selbstverständlich auch deshalb, weil wir unser
Geld damit verdienen. Und wir machen das, obwohl. Obwohl es kaum ein schwierigeres, unvorhersehbareres, aber auch ehrlicheres Publikum
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