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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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kindischen Geschwätz; führe mich zu der Jungfrau, die aus den Fängen Rezus befreit wurde, und von einem Schicksal, das schlimmer ist als der Tod. Habt Ihr gewußt, Allan, daß er geplant hatte, ihr den eigenen Vater zum Opfer zu bringen bevor er sie zur Frau nahm, und ihn zu essen, so wie er die Frau gegessen hatte, die bei ihr war, und das vor ihren Augen tun wollte? Nun, ihr Vater ist jetzt tot, und ich denke, daß es gut so ist, da Euer kleiner, gelber Mann sagte – nein, unterbrecht mich nicht, ich habe es von seinem Rücken abgelesen –, daß er, wenn er gelebt hätte, bis ans Ende seiner Tage dem Wahnsinn verfallen geblieben wäre. Deshalb ist es besser, daß er im Kampf gegen einen Feind fiel, der von niemandem besiegt werden konnte, außer einem. Doch sie lebt.«
    »Ja, doch ohne Bewußtsein, Ayesha.«
    »Was nach all dem, was sie erlebt hat, ein Segen ist, Allan. Denkt einmal nach! Hat es nicht Tage in Eurem Leben gegeben, sogar Monate, wo Ihr viel darum gegeben hättet, in Bewußtlosigkeit verharren zu können? Und würden wir nicht, wir alle, vielleicht glücklicher sein, wenn wir wie die Tiere keine Erinnerung, kein Vorwissen und kein Verständnis besitzen würden? Oh! Die Menschen reden vom Himmel, doch glaubt mir, der wirkliche Himmel ist ein Himmel des Schlafes, da Leben und Bewußtsein, wie hoch sie auch immer geschätzt werden mögen, nur Kampf bedeuten, der, da er so oft ungerecht ist, Reue brütet, die alles vergällt. Kommt jetzt!«
    Also ging ich ihr voraus zu dem nächsten verfallenen Haus, wo wir Inez auf einem Bett liegen fanden, die noch immer ihre barbarischen Kleidungsstücke trug, obwohl der Schleier inzwischen von ihrem Gesicht genommen worden war. Dort lag sie nun, mit offenen Augen und reglos, während die Frauen über sie wachten.
    Ayesha blickte sie eine Weile an, dann sagte sie zu mir: »Also haben sie sie als eine Spottgeburt meiner selbst verkleidet, damit diese Barbaren sie nach einer gewissen Zeit an meiner Statt akzeptieren sollten, und ihr sogar das königliche Siegel verliehen!« Sie deutete auf die goldene Scheibe, welche die Sonne darstellen sollte. »Nun, sie ist eine schöne Jungfrau, weiß, und von guter Herkunft, die erste, die ich seit vielen Jahren sah. Und sie hat diese Komödie nicht gewollt. Außerdem hat sie keinerlei Verletzungen erlitten; ihre Seele ist tief in ein Meer des Schreckens versunken, das ist alles, aus dem sie ohne Zweifel wieder herausgezogen werden kann. Doch halte ich es für das Beste, wenn sie sich für eine Weile an nichts erinnern kann, damit ihr Verstand keinen Schaden erleidet, wie der ihres Vaters, und deshalb soll sie durch keines meiner Netze in die Erinnerung zurückgezogen werden. Die soll allmählich in zukünftigen Tagen zurückkehren und selbst dann nicht zu viel davon; all dieser Schrecken soll für sie eine Leere bleiben, in dem tragische Gestalten sich wie Schatten bewegen und wie Schatten bald vergessen und vorübergezogen sein werden, so daß sie dem erwachenden Bewußtsein nicht mehr als Träume sind. Tretet beiseite, Allan, und ihr, Frauen, laßt uns für eine Weile allein.«
    Ich tat, was sie mir gesagt hatte, die Frauen verbeugten sich und gingen hinaus. Nun kniete Ayesha sich neben Inez' Bett und hob ihren Schleier, jedoch auf eine Art, daß ich nicht ihr Gesicht sehen konnte, obwohl ich es, wie ich zugeben muß, versuchte. Ich konnte jedoch erkennen, daß sie ihre Lippen auf die von Inez' drückte, und, wie ich an ihren Bewegungen erkennen zu können glaubte, ihr ihren Atem einblies. Dann hob sie die Hände, legte die eine auf Inez' Herz und bewegte die andere vor Inez' Augen langsam hin und her, wobei sie hin und wieder eine Pause einlegte, um mit den Fingerspitzen über Inez' Stirn zu streichen. Kurz darauf regte Inez sich und setzte sich auf, worauf Ayesha ein Gefäß mit Milch nahm, das auf dem Boden stand, und es an Inez' Lippen hielt. Inez trank die Milch bis auf den letzten Tropfen, dann sank sie wieder zurück. Ayesha setzte die Bewegungen ihrer Hände noch eine Weile fort, dann ließ sie den Schleier wieder über ihr Gesicht fallen und stand auf.
    »Hört, ich habe einen Bann auf sie gelegt«, sagte sie und winkte mir, näherzutreten.
    Ich tat es und sah, daß Inez' Augen jetzt geschlossen waren und daß sie in einen tiefen, natürlichen Schlaf versenkt worden war.
    »Sie wird die Nacht über und während des folgenden Tages so bleiben«, sagte Ayesha, »und wenn sie erwacht, wird sie sich wieder als ein

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