Sie und Allan
glückliches Kind fühlen. Nicht bevor sie ihr Zuhause erreicht, wird sie erkennen, daß sie eine erwachsene Frau ist, und dann diese ganze Geschichte vergessen haben, und über ihren Vater müßt Ihr ihr berichten, daß er starb, als Ihr mit ihm ausgezogen seid, um die Flußpferde zu jagen, und wenn sie nach gewissen anderen Menschen fragt, erklärt Ihr ihr, daß sie fortgegangen seien. Aber ich glaube nicht, daß sie Fragen stellen wird, wenn sie erfahren hat, daß ihr Vater tot ist, weil ich ihr diesen Befehl in die Seele gepflanzt habe.«
Hypnotische Suggestion, dachte ich – und ich konnte nur zum Himmel beten, daß sie wirksam blieb.
Ayesha schien meine Gedanken lesen zu können, denn sie nickte und sagte: »Habt keine Angst, Allan, denn ich bin, was der schwarze Axtträger und der kleine, gelbe Mann eine Hexe nennen, also jemand, wie Ihr inzwischen erlebt habt, der Kenntnisse auf dem Gebiet der Medizin und auch auf einigen weiteren besitzt und den Schlüssel zu einigen Geheimnissen der Natur in ihren Händen hält.«
»Zum Beispiel das, Euch im richtigen Moment auf den Schauplatz einer Schlacht zu transportieren«, meinte ich, »und wieder von ihm fort – ebenfalls im richtigen Moment.«
»Ja, Allan, da ich alles von weitem beobachtete, sah ich, daß diese Amahagger-Hunde zur Flucht bereit waren und ich benötigt wurde, um ihnen neuen Mut zu machen und der Armee Rezus Furcht einzujagen. Also kam ich.«
»Auf welche Art seid Ihr gekommen, Ayesha?«
Sie lachte, als sie antwortete: »Vielleicht bin ich überhaupt nicht gekommen. Vielleicht habt Ihr alle nur geglaubt, mich zu sehen, doch da ich dort gewesen zu sein schien, spielt alles andere keine Rolle.«
Als ich noch immer nicht überzeugt schien, fuhr sie fort: »Oh, törichter Mann, sucht nicht zu erfahren, was über Euren Verstand hinausgeht. Aber hört! Ihr glaubt in Eurer Unwissenheit sicher, daß die Seele im Körper wohnt, nicht wahr?«
Ich antwortete, daß ich immer unter diesem Eindruck gestanden hätte.
»Und doch ist es umgekehrt, Allan, denn der Körper wohnt in der Seele.«
»Wie die Perle in der Auster?«
»Ja, auf eine gewisse Weise, da die Perle, die für Euch Schönheit ist, für die Auster eine Krankheit, ja ein Gift darstellt, und das ist auch der Körper für die Seele, deren Tempel er stört und verunreinigt. Doch um ihn herum ist die weiße, heilige Seele, welche ständig bemüht ist, den schmutzigen Körper auf den Stand ihrer eigenen Reinheit emporzuziehen, was ihr sehr oft nicht gelingt, da das Fleisch und der Geist Todfeinde sind, die nur durch ein höchstes Dekret zusammengehalten werden, das sie ihren Haß vergessen und versuchen läßt, zur Vollendung zu bringen, und die, wenn ihnen das nicht gelingen sollte, auf ewig voneinander getrennt werden, so daß der Geist an den ihm bestimmten Ort reist, das Fleisch aber in Verwesung übergeht.«
»Eine seltsame Theorie«, sagte ich.
»Ja, Allan, und eine, die für Euch so neu ist, daß Ihr sie nie verstehen werdet. Und doch ist sie wahr, und deshalb habe ich sie Euch dargelegt. Die Seele des Menschen, die frei ist und nicht in seiner engen Brust eingeschlossen, steht in Verbindung mit der Seele des Universums, welche die Menschen als Gott kennen und mit vielen Namen belegen. Deshalb besitzt sie alles Wissen, und vielleicht auch alle Macht, und hin und wieder kann der in ihr befindliche Körper, wenn er ein weiser Körper ist, von dieser Quelle des Wissens und der Macht zehren. Ich kann es zumindest. Und jetzt werdet Ihr auch verstehen, warum ich eine so gute Hexe bin, und wie es mir möglich war, auf dem Schlachtfeld zu erscheinen, und im richtigen Moment, wie Ihr sagtet, und es wieder zu verlassen, als ich meine Arbeit getan hatte.«
»O ja«, antwortete ich, »nun verstehe ich das vollkommen. Ich danke Euch vielmals, es so klar erläutert zu haben.«
Sie lachte leise, da sie meinen sarkastischen Scherz zu würdigen wußte, blickte auf die schlafende Inez hinab und sagte: »Der schöne Körper dieser Frau wohnt in einer großen Seele, glaube ich, wenn auch in einer von etwas düsterer Färbung, denn Seelen haben ihre Farben, Allan, und übertragen sich auf das, was sich in ihnen befindet. Sie wird nie ein sehr glücklicher Mensch sein.«
»Die Schwarzen haben ihr den Namen Traurige Augen gegeben«, sagte ich.
»So? Nun, ich gebe ihr den Namen Trauriges Herz, obwohl solche oft am Ende das Glück finden. Inzwischen aber wird sie vergessen; ja, sie wird all das Schlimme
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