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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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vergessen und nie wissen, wie schmal der Grat zwischen ihr und den Armen Rezus war.«
    »Er hatte lediglich die Breite der Schneide von Umslopogaas' Axt, Inkosikaas «, antwortete ich. »Doch sagt mir, Ayesha, warum konnte diese Axt nicht schneiden, und warum wurden die Kugeln meines Gewehrs flachgeschlagen oder zur Seite abgelenkt, als sie die Brust Rezus trafen?«
    »Weil er einen guten Brustpanzer trug, vermute ich, Allan«, antwortete sie spöttisch, »und er auf dem Rücken keinen hatte.«
    »Warum habt Ihr mir dann die Ohren mit einer so anderen Geschichte gefüllt, daß dieser furchtbare Gigant vom Kelch des Lebens getrunken habe, und so weiter?« fragte ich irritiert.
    »Ich habe es vergessen, Allan. Vielleicht weil die Neugierigen, wie Ihr einer seid, begierig sind, Geschichten zu hören, die sogar noch seltsamer sind als ihre eigenen. Deshalb wäre es weise von Euch, nur das zu glauben, was ich tue, und nichts von dem, was ich sage.«
    »Das tue ich auch nicht.«
    Wieder lachte sie.
    »Wozu sagt Ihr mir, was ich ohnehin schon weiß? Ja, in der Zukunft mag es vielleicht anders aussehen, da durch die Alchimie des Gehirns oft Fabeln unserer Kindheit in die Tatsachen unseres Zeitalters verwandelt werden, und wir so ziemlich alles glauben, so wie Euer kleiner gelber Mann an irgendeinen Wilden namens Zikali glaubt, und diese Amahagger an den Talisman glauben, den Ihr um den Hals tragt, und so wie ich, die ich die verrückteste von Euch allen bin, an Liebe und Weisheit glaube, und so wie der schwarze Krieger, Umslopogaas, an die Unbesiegbarkeit seiner großen Axt glaubt, anstatt an seinen eigenen Mut und seine eigene Kraft, welche dieser Axt zum Sieg verhelfen. Narren, das sind wir alle, und ich bin vielleicht der größte von uns allen. Doch jetzt bringt mich zu diesem Krieger, Umslopogaas, damit ich ihm danken kann, so wie ich euch danke, und dem kleinen gelben Mann, obwohl er mich mit seiner scharfen Zunge verspottet, ohne zu ahnen, daß ich ihn mit einem Atemzug töten könnte, wenn er mich wütend macht.«
    »Warum habt Ihr dann nicht Rezu mit einem Atemzug getötet, und auch seine ganze Armee, Ayesha?«
    »Es scheint mir, daß ich das durch die Axt Umslopogaas' getan habe, und mit Hilfe Eurer Truppenführung, Allan. Warum also sollte ich meine Kraft vergeuden, wenn die Eure in meinen Händen lag?«
    »Weil Ihr keine Macht über Rezu besaßt, wie Ihr mir gestanden habt.«
    »Habe ich Euch nicht gesagt, daß meine Worte wie Schneeflocken sind, dafür bestimmt, zu schmelzen und keine Spur zu hinterlassen, meine Gedanken zu verbergen, so wie dieser Schleier meine Schönheit verbirgt? Vielleicht liegt Wahrheit hinter meinen Worten, doch nicht die Wahrheit, die Ihr sucht. Damit ist Eure Frage ausreichend beantwortet, und was das andere betrifft, so bezweifle ich, ob Rezu wirklich glaubte, daß ich keine Macht über ihn hätte, als er mich dort auf diesem Berggrat auf seine Armee herabschweben sah wie einen Geist der Nacht. Nun, vielleicht werde ich das eines Tages erfahren, und auch viele andere Dinge.«
    Ich antwortete nicht, denn welchen Sinn hätte es, mit einer Frau zu argumentieren, die mir geradeheraus erklärte, daß alles, was sie sagte, gelogen sei? Deshalb schwieg ich, obwohl ich sie sehr gern gefragt hätte, aus welchem Grund diese Amahagger einen solchen Respekt vor dem Talisman hatten, den Hans die Große Medizin nannte, da ich jetzt fast sicher war, daß die erste Erklärung, die sie mir dazu gegeben hatte, nicht der Wahrheit entsprach.
    Doch als wir das Haus verließen, kam sie wie durch irgendeinen Zufall selbst darauf zu sprechen.
    »Ich will Euch sagen, Allan«, erklärte sie, »aus welchem Grund diese Amahagger Euch nicht als General akzeptieren wollten, bevor ihr Blick auf das Bildnis fiel, das Ihr auf Eurer Brust tragt. Ihre Legende über dieses Ding scheint von Wilden oder ihren gerissenen Priestern erfunden worden zu sein und wird von einem weisen Mann, wie Ihr es seid, natürlich nicht geglaubt, wie so vieles andere, das Ihr in Kôr gehört habt. Und dennoch steckt ein Körnchen Wahrheit darin, denn wie es sich vor kurzem ergab – vor etwa hundert Jahren, würde ich sagen –, besuchte der alte Zauberer, dessen Bildnis in das Elfenbein geschnitzt ist, jene, die vor mir meine Stelle als Herrscherin dieses Stammes inne hatte – sie war mir sehr ähnlich, und, wie ich vermute, meine Mutter, Allan –, wegen ihres Rufes großer Weisheit. Zu jener Zeit bestand, wie ich erfahren habe, die

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