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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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die bei dem Anmarsch einer solchen Anzahl von Männern unvermeidlich waren, und in die Dunkelheit fliehen und vielleicht Inez lieber töten würden, als sie in unsere Hände fallen zu lassen. Oder, wenn sie sich zum Kampf stellen sollten, konnte Inez in dem Getümmel getötet werden. Oder, da wir nur ein knappes Dutzend zuverlässiger Männer hatten – die Strathmuir-Leute zählten nicht –, sie uns zahlenmäßig in einem Verhältnis von eins zu zwei oder sogar von eins zu drei überlegen waren, mochten sie uns besiegen und töten.
    Dieses waren die Argumente für diesen Versuch. Diejenigen, die dagegen sprachen, waren jedoch genauso einleuchtend. Zunächst einmal war er überaus riskant. Die beiden Wachen oder einer der anderen konnte aufwachen, denn solche Menschen schlafen, wie Hunde, zumeist mit einem offenen Auge, besonders, wenn sie wissen, daß sie verfolgt werden. Und wenn sie nicht aufwachten, konnten wir die Sache irgendwie verpatzen, so daß sie einen Schrei ausstoßen konnten, bevor sie für immer zum Schweigen gebracht wurden, in welchem Fall wir beide, und vielleicht auch Inez, dafür würden bezahlen müssen.
    So sah das Dilemma aus, in dem wir uns befanden. Eine Minute lang dachte ich so gründlich darüber nach, daß es fast wie eine geistige Agonie wirkte, und gelangte schließlich zu der Erkenntnis, daß das Risiko zu groß sei. Es wäre besser, trotz aller sich daraus ergebenden Nachteile, zurückzugehen und die anderen zu holen. Doch dann beging ich einen der vielen Fehler, die ich in meinem Leben gemacht habe. Die meisten von uns machen mehr dumme Sachen als kluge, und manchmal glaube ich, daß ich trotz eines gewissen Rufes der Vorsicht und Überlegung, auf diesem Gebiet mit einem besonderen Fluch beladen bin: ja, wenn ich auf mein vergangenes Leben zurückblicke, kann ich kaum die wenigen Blumen der Weisheit entdecken, die an seinem Wege stehen, weil er so von den riesigen, häßlichen Bäumen der Irrtümer überschattet wird.
    Bei dieser Gelegenheit zeigte sich meine natürliche Tendenz, Fehler zu machen, darin, daß ich mich auf den Rat eines anderen verließ und nicht auf meinen eigenen. Obwohl ich mir ein gewisses Bild von dem gemacht hatte, was getan werden mußte, schienen das Für und Wider so ausgewogen zu sein, daß ich beschloß, Hans zu fragen und sein Urteil anzunehmen. Und das war nicht mehr und nicht weniger als eine Form von Glücksspiel, da es bedeutete, daß ich mein eigenes Urteil aufhob – was niemand, der eine Sache von Leben und Tod vorhat, tun sollte – und es riskierte, Hans die Entscheidung zu überlassen, wie immer die aussehen mochte. Doch eben das tat ich – sehr zu meinem Bedauern.
    Fast lautlos flüsternd, meinen Mund dicht an seinem faulig riechenden Kopf, vertraute ich dem kleinen Hottentotten mein Problem an und fragte ihn, was wir tun sollten: vorgehen oder zurückweichen. Hans überlegte eine Weile und antwortete mir dann mit einer Stimme, der er irgendwie einen Klang gab, der an das Summen von Nachtkäfern erinnerte.
    »Diese Männer schlafen fest, Baas, das höre ich an ihren Atemzügen. Außerdem hat der Baas die Große Medizin. Deshalb sage ich: die beiden Männer töten und Traurige Augen befreien.«
    Jetzt sah ich, daß das Schicksal, das ich angerufen hatte, sich gegen mich entschied und ich seinen Urteilsspruch annehmen mußte. Mit schwerem Herzen, denn mir gefiel diese Sache ganz und gar nicht, fragte ich mich einen Moment lang, was Hans veranlaßt haben mochte, diesen Standpunkt einzunehmen, der das genaue Gegenteil dessen war, was ich von ihm erwartet hatte. Natürlich hatte sein Aberglaube bezüglich der Großen Medizin damit zu tun, doch war das meiner Überzeugung nach nicht alles. Wahrscheinlich waren es zwei Aspekte, die ihm gefielen. Der erste war, daß er diese unerträgliche und unabsehbare Jagd, die uns alle an den Rand der Erschöpfung gebracht hatte, möglichst bald zu einem Ende bringen wollte, ganz gleich, wie dieses Ende aussehen mochte. Der zweite und erheblich stärkere jedoch war, wie ich vermutete, und zu recht, daß die Vorstellung dieses hinterhältigen mitternächtlichen Zuschlagens unwiderstehlich an seine halbwilde Natur appellierte, in der sich Eigenschaften des Leoparden und der Schlange mit denen des Menschen vermischten. Denn man muß sich erinnern, daß Hans, trotz seines Firnis' von Zivilisation ein Wilder war, dessen Vorväter seit unzähligen Generationen allein durch solche Attacken und Listen überlebt

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