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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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es jedoch keinen näheren Kontakt zu haben wünscht. Außerdem erhob sich die Frage: war es göttlich, oder nur etwas – Anderes? Ich wußte es nicht, ich wußte nur, daß es nicht für mich bestimmt war, so wenig wie ich erwarten konnte, daß ein Stern meine Laterne erhellte.
    Ich denke, daß sie das fühlte, spürte, daß ihr Schlag nicht getroffen hatte, wie die Franzosen sagen, das heißt, falls sie im Moment überhaupt zuschlagen hatte wollen – wovon ich nicht überzeugt bin, da es eine andere Stimme war, eine Stimme, in der eine Spur von Kälte und einem kleinen Lachen klang, die sagte: »Gebt Ihr jetzt zu, Allan, daß eine Frau alt sein kann, und doch schön und faltenlos bleibt?«
    »Ich gebe zu«, sagte ich, obwohl ich so zitterte, daß ich kaum sprechen konnte, »daß eine Frau so über alle Maßen schön sein kann, daß es die Vorstellungskraft eines Mannes übersteigt, ganz gleich, was ihr Alter sein mag, das mir unbekannt ist. Ich möchte noch hinzusetzen, Ayesha, daß ich Euch danke, mir die Vollkommenheit enthüllt zu haben, die unter diesem Schleier verborgen ist.«
    »Warum?« fragte sie, und ich glaubte Neugier in ihrer Frage entdecken zu können.
    »Aus dem Grund, Ayesha, daß jetzt kein Anlaß zu der Annahme mehr besteht, ich könnte Euch auf die Weise zu nahe treten, die Ihr vor einer Minute zu befürchten schient. Genausogut könnte ein Mann sich wünschen, den Mond anbeten zu dürfen, der in silberner Einsamkeit durch die Himmel zieht.«
    »Den Mond? Wie seltsam, daß Ihr mich mit dem Mond vergleicht«, sagte sie nachdenklich. »Wißt Ihr, daß der Mond im alten Ägypten eine große Göttin war und den Namen Isis trug, und daß ich – einst mit Isis zu tun hatte? Vielleicht wart Ihr dabei, da den meisten von uns mehr als ein Leben gegeben ist. Ich muß ständig suchen und lernen. Was die anderen angeht, so verfügen nicht viele über das klare Denken, wie es bei Euch der Fall ist, Allan. Im Gegenteil, die meisten lieben das Göttliche und suchen es zu gewinnen.«
    »Das tue ich ebenfalls, aus der Ferne, Ayesha, habe jedoch nicht das Verlangen, ihm zu nahe zu kommen, da ich weiß, daß es mich verzehren könnte.«
    »Ihr seid weise«, antwortete sie, nicht ohne Bewunderung. »Nur wenige Motten fürchten die Flamme, doch sind das die Motten, die überleben. Ich glaube aber, daß Ihr Euch die Flügel schon einmal angesengt und gelernt habt, daß Feuer weh tut. Ja, jetzt erinnere ich mich, daß ich von dreien solcher Feuer gehört habe, durch die Ihr geflogen seid, obwohl sie jetzt nur noch tote Asche sind, oder anderswo brennen mögen. Zwei davon waren in Eurer Jugend, und eine von ihnen starb, um Euch zu retten, eine großartige Frau, ist es nicht so? Und die dritte ... – ah! – sie war wirklich ein Feuer, obwohl sie mit einer kupferfarbenen Flamme brannte. Wie war noch ihr Name? Ich kann mich nicht erinnern, doch glaube ich, daß er etwas mit dem Wind zu tun hatte, ja, mit dem seufzenden Wind.«
    Ich starrte sie an. Sollte dieser Mameena-Mythos wieder ausgegraben werden, hier, an diesem geheimen Ort im Herzen Afrikas? Und woher, zum Teufel, wußte sie etwas von Mameena? Konnte sie mit Hans oder Umslopogaas gesprochen haben? Nein, das war unmöglich, da sie die beiden nur gesehen hatte, als ich dabei war.
    »Vielleicht«, fuhr sie spöttisch fort, »vielleicht glaubt Ihr mir wieder nicht, Allan, dessen zynischer Verstand sich so schwer neuen Wahrheiten öffnet. Nun, soll ich Euch die Gesichter dieser drei zeigen? Ich kann es.« Sie hob die Hand zu einem Objekt, das auf einem Dreifuß rechts von ihr im Schatten stand – es sah wie eine Kristallschale aus. »Doch wozu, da Ihr sie so gut kennt und doch nur glauben würdet, daß ich ihre Bilder aus Eurer Seele zöge. Außerdem könnte nur ein einziges Bild erscheinen, und das ist Euch noch fremd. Habt Ihr davon gehört, Allan, daß einige unter den Weisen die Ansicht vertreten, nicht alles von uns hier auf Erden sei innerhalb desselben fleischlichen Hauses sichtbar, weil das Selbst in seinem oberirdischen Heim viele Teile umfasse, von denen jedes in einer anderen Form auf Erden lebt, ein Segment des Lebenskreises ist, der niemals aufgelöst werden kann und sich schließlich wiedervereinen muß?«
    Ich schüttelte den Kopf, da ich nie derartiges gehört hatte.
    »Ihr habt noch viel zu lernen, Allan, obwohl es einige gibt, die Euch für weise halten«, fuhr sie in demselben spöttischen Tonfall fort. »Nun, ich bin überzeugt, daß diese

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