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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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und doch nicht wagt, es zu sagen.«
    »Wie kann ich jemandem glauben, Ayesha, der – wenn ich Euch richtig verstehe – davon spricht, ein bestimmtes Bad vor zweitausend Jahren gesehen zu haben, wo doch achtzig Jahre das Maß ist, das dem Menschen zugestanden ist? Vergebt mir deshalb, wenn ich nicht glauben kann, was offensichtlich unwahr sein muß .«
    Jetzt befürchtete ich natürlich, daß sie sehr ungehalten werden würde und bereute, daß ich so offen gewesen war. Wie es sich herausstellte, war sie es jedoch nicht.
    »Ihr müßt sehr viel Mut besitzen, um mich so offen einer Lüge zu bezichtigen«, sagte sie, »ich liebe den Mut, ich, die ich mich für so lange Zeit ducken mußte. Von Eurem Mut weiß ich, da ich vernommen habe, wie Ihr Euch in dem gestrigen Kampf verhalten habt, und von einigen anderen Dingen, die ich über Euch weiß. Ich denke, daß wir Freunde werden könnten, verlangt nicht nach mehr.«
    »Was sonst könnte ich verlangen, Ayesha?« fragte ich unschuldig.
    »Jetzt lügt Ihr mich wieder an«, sagte sie, »mich, die sehr wohl weiß, daß kein Mann, der ein Mann ist, eine Frau, die schön ist und die ihm gefällt, ansehen kann, ohne sich zu fragen, ob er sich wünschen sollte, daß sie ihn liebte – wenn sie jung ist.«
    »Was zumindest unmöglich sein kann, wenn sie bereits zweitausend Jahre gelebt hat, und es nach dieser langen Zeitspanne natürlich vorzieht, einen Schleier zu tragen«, sagte ich mutig, da ich mich nicht in das Streitgespräch verwickeln lassen wollte, in das sie mich offensichtlich zu ziehen versuchte.
    »Ah!«, antwortete sie, »ich vermute, daß der kleine, gelbe Mann, der Licht-im-Dunkel genannt wird, diesen Gedanken in Euer Herz gepflanzt hat. Oh, macht Euch keine Gedanken darüber, woher ich das weiß, die so viele Spione hier hat, da meine Vermutung sehr richtig war. Also muß eine Frau, die zweitausend Jahre lang gelebt hat, häßlich und faltig sein, nicht wahr? Also muß die Süße von Jugend und Schönheit ihr entflohen sein: dessen, Ihr weiser Mann, seid Ihr sicher. Nun gut, Ihr habt mich versucht, das zu tun, was ich entschlossen war, niemals zu tun – und Ihr sollt die Frucht von diesem Baum der Neugier pflücken, der so rasch in Euch wächst. Seht her, Allan, und sagt mir, ob ich alt und häßlich bin, obwohl ich zweitausend Jahre auf Erden gelebt habe, und vielleicht viele Jahre mehr.«
    Mit diesen Worten hob sie die Hände und tat etwas mit ihrem Schleier, so daß für einen Moment, nur für einen Moment, ihr Gesicht enthüllt war, wonach der Schleier wieder herabfiel.
    Ich blickte sie an, und wenn der Stuhl, auf dem ich saß, keine Lehne gehabt hätte, wäre ich sicher heruntergefallen. Denn was ich sah ... war nicht zu beschreiben, zumindest nicht von mir, als vielleicht bestenfalls als ein Aufblitzen von Erhabenheit. Jeder Mann träumt von vollkommener Schönheit, wobei er seine Vorstellungen vielleicht an einer Frau ausrichtet, die diesem Ideal entspricht, mit ein paar Zutaten von griechischen Statuen, und solchen seiner Phantasie. Ich auf jeden Fall habe einen solchen Traum – und hier stand er vor mir, vollkommene Schönheit vervielfältigt, eine solche Schönheit, daß meine Sinne sich verwirrten. Und doch eine Schönheit, ich wiederhole es, die sich nicht beschreiben läßt.
    Ich kann nicht mehr sagen, wie ihre Nase oder ihre Lippen aussahen; eigentlich weiß ich nur noch, wie wunderbar ihre Augen waren, deren Zauber ich am vergangenen Abend durch den Schleier erahnt hatte. Sie waren unglaublich schön, doch auch sie kann ich nicht beschreiben, außer daß ihre Grundfarbe schwarz war. Außerdem schienen sie mehr als Augen zu sein, so wie wir sie verstehen. Sie waren Fenster der Seele, aus denen Denken und Majestät und unendliche Weisheit blickten, vermischt mit all den Anziehungskräften und Mysterien, die wir in Frauen zu sehen glauben.
    Hier möchte ich eines sagen: falls dieses wunderbare Wesen glaubte, mich durch diese Offenbarung zu ihrem Sklaven machen zu können, mich zwingen zu können, mich in sie zu verlieben, wie man es so nennt, würde sie eine sehr große Enttäuschung erleben, denn diese Wirkung hatte es auf mich nicht. Es ängstigte mich und erniedrigte mich sogar auf gewisse Weise, das war alles, denn ich fühlte mich in einer Gegenwart von etwas, das nicht menschlich war, etwas, das mir als Menschen absolut fremdartig war, das ich fürchten und sogar verehren konnte, so wie die Menschheit etwas anbetet, das göttlich ist, mit dem

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