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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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wartete.

13
     
    Allan hört eine seltsame Geschichte
     
     
    Ich stand mehrere Minuten lang vor diesem Vorhang, so daß es mir langweilig geworden wäre, hätte nicht eine gewisse Elektrizität in der Luft gelegen, eine Art Kraft, die, vielleicht allein in meiner Phantasie, diesen Ort zu erfüllen schien. In der Tat wollte ich meinen Begleiter schon fragen, warum er nicht hineinginge und uns anmeldete, anstatt hier herumzustehen wie ein abgestochenes Kalb, die Augen fest geschlossen, wie im Gebet oder bei einer Meditation, als der Vorhang aufglitt und eine dieser hochgewachsenen Frauen heraustrat, die wir am vergangenen Abend gesehen hatten. Sie blickte uns ein paar Sekunden lang ernst an, bewegte dann zweimal die Hand, zuerst auf Billali zu, als Zeichen, daß er sich zurückziehen möge, was er auch sehr eilig tat, dann mit einer winkenden Geste zu mir, zum Zeichen, daß ich ihr folgen sollte.
    Ich tat es, passierte den schweren Vorhang, den sie auf irgendeine Art hinter mir verschloß, und befand mich in demselben Raum mit der gewölbten Decke und den verzierten Wänden, den ich bereits beschrieben habe. Nur daß jetzt keine Lampen brannten, da genügend Licht durch eine Öffnung in der Decke auf die Empore herabfiel, und auf die Gestalt, die auf dieser Empore saß.
    Ja, dort saß sie, in ihrer weißen Robe und mit ihrem weißen Schleier, im Mittelpunkt eines Sees von Licht, das auf sie herabfiel, eine wunderbare und in gewisser Weise fast spirituelle Vision, denn, ehrlich gesagt, es war etwas um sie, das nicht von dieser Welt war, etwas, das mich anzog und gleichzeitig in Angst versetzte. Reglos wie eine Statue saß sie da, wie eine, für die die Zeit keine Rolle spielt und die der Bewegung müde geworden ist, und zu beiden Seiten von ihr, genauso reglos, wie Kyriatiden, die einen Schrein stützen, standen zwei der wunderbaren Frauen, die ihre Dienerinnen waren. In der Luft dieses Raums lag ein süßer und betörender Duft, der meinen Geist benebelte, wie Haschisch es tun mochte, und der zweifellos von ihr ausging, oder von ihrer Robe, denn ich sah kein Weihrauchfeuer brennen. Sie sprach kein Wort, und doch wußte ich, daß sie mich einlud näherzutreten, und schritt auf sie zu, bis ich einen seltsam geschnitzten Stuhl erreichte, der vor der Empore stand, und dort blieb ich stehen, da ich nicht wagte, mich ohne Erlaubnis zu setzen.
    Eine ganze Weile sah sie mich schweigend an, denn wie zuvor konnte ich den Blick ihrer Augen spüren, der mich von Kopf bis Fuß prüfte und in mich hineinzublicken schien, als ob sie auch meine Seele betrachten wollte. Schließlich bewegte sie sich, hob ihre elfenbeinernen Arme wie in einer Art Schwimmbewegung nach außen, woraufhin die beiden Frauen zu ihrer Linken und Rechten sich umwandten und den Raum verließen.
    »Setzt Euch, Allan«, sagte sie, »und laßt uns reden, denn ich glaube, daß wir einander viel zu sagen haben. Habt Ihr gut geschlafen? Und gut gegessen, obwohl ich fürchte, daß das Essen hier für Euch recht frugal ist? Und ist das Bad für Euch bereitet worden?«
    »Ja, Ayesha«, beantwortete ich alle drei Fragen, und fügte hinzu, da ich nichts anderes zu sagen wußte: »Es scheint ein sehr altes Bad zu sein.«
    »Als ich es zuletzt sah«, antwortete sie, »befand es sich noch in sehr gutem Zustand, von Statuen umgeben, die von einem Bildhauer geschaffen worden waren, der die Schönheit in seinen Träumen gesehen hatte. Doch im Laufe von zweitausend Jahren – oder sind es mehr? – hat der Zahn der Zeit tief genagt, und es ist zweifellos, wie alles andere an diesem toten Ort, jetzt eine Ruine.«
    Ich hüstelte, um einen Ausruf des Unglaubens zu unterdrücken, der mir auf der Zunge lag, und bemerkte nur, daß zweitausend Jahre freilich ein recht langer Zeitraum seien.
    »Wenn Ihr das eine sagt und das andere meint, Allan, ist Euer Arabisch sogar noch schlechter als sonst und nicht dazu dienlich, Eure Gedanken zu verbergen.«
    »Dem mag so sein, Ayesha, denn ich habe diese Sprache, wie viele andere Sprachen Afrikas, von dem einfachen Volk gelernt. Englisch ist meine Muttersprache, in der ich mich, falls Ihr mit ihr vertraut sein solltet, zu unterhalten vorziehen würde.«
    »Die englische Sprache ist mir unbekannt, da sie zweifellos entstanden ist, seit ich die Welt verlassen habe. Vielleicht könnt Ihr mich nach und nach etwas davon lehren, doch laßt mich Euch sagen, daß Ihr mich verärgert, weil Ihr nichts von dem glaubt, das über meine Lippen gekommen ist,

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