Sie und Allan
Korridor eines Gebäudes, das zweifellos einst ein herrliches Badehaus gewesen war, wie ich es auf Darstellungen solcher Häuser aus der Römerzeit gesehen hatte. Seine Größe entsprach der einen Saales; es war aus einer Art Marmor erbaut und wurde fast zur Gänze von einem Becken eingenommen, dessen Boden leicht abfallend war, so daß die Wassertiefe von drei bis sieben Fuß betrug. Um das Becken herum verliefen Randsteige von etwa fünf Fuß Breite, an denen Kammern lagen – jetzt ohne Dach – die von den Badenden als Umkleidekabinen benutzt werden konnten, und in Nischen zwischen diesen Kammern standen die Reste von Statuen. Eine von ihnen, die in einem tieferen Alkoven am Ende der Halle vor Sonne und Witterung geschützt war, hatte die Zeit fast unbeschädigt überdauert, nur die emporgestreckten Arme fehlten (die rechte Hand, bemerkte ich, lag auf dem Boden des Beckens). Es war die Darstellung einer jungen Frau in der Pose eines Kopfsprungs, eine wunderbare Arbeit, wie ich fand, doch ich bin natürlich kein Kunstexperte, selbst das mit einen leichten Erschrecken gemischte Lächeln auf dem Gesicht des Mädchens war äußerst natürlich dargestellt.
Diese Statue bewies zweierlei: daß dieses Bad von Frauen benutzt worden war, und daß die Menschen, die es erbaut hatten, auf einer hohen Zivilisationsstufe gestanden haben mußten, und außerdem, daß sie einer östlichen Rasse angehört hatten, da die Nase des Mädchens auf einen semitischen Typus hindeutete, und ihre Lippen geschwungen und schwellend waren. Das Bassin war so sauber, daß es vermutlich für mich vorbereitet worden war, oder für andere, die es vor mir benutzt haben mochten. In seinem teilweise zerbrochenen Marmorboden entdeckte ich zersprungene Rohre aus Ton, die darauf schließen ließen, daß in früheren Zeiten das Wasser mittels eines Feuerungskessels erhitzt werden konnte.
In diesem Zeugnis einer längst vergangenen Zivilisation, das Hans mehr erregte als mich, da er so etwas noch nie gesehen hatte und es für so außergewöhnlich hielt, daß er überzeugt war, nur Hexerei hätte so etwas schaffen können, nahm ich ein wunderbares Bad. Ich konnte sogar Hans dazu überreden, meinem Beispiel zu folgen, eine für ihn sehr seltene Betätigung, und er begnügte sich auch damit, im flachsten Teil des Beckens zu hocken und ein wenig Wasser über seine gelbe, faltige Anatomie zu planschen. Dann kehrten wir zu unserem Haus zurück, wo inzwischen ein ausgezeichnetes Frühstück bereitgestellt worden war, das uns von hochgewachsenen, schweigenden, schönen Frauen serviert wurde, die uns aus den Augenwinkeln heraus beobachteten, doch kein einziges Wort sprachen.
Kurz nachdem ich gegessen hatte, erschien Billali wieder und erklärte mir, daß Sie-die-befiehlt meine Gegenwart wünsche und mit mir sprechen wolle; und er betonte, daß ich allein kommen solle. Nachdem ich nach den beiden Verwundeten gesehen hatte, deren Genesung gute Fortschritte zu machen schien, ging ich aus dem Haus, gefolgt von Hans mit seinem Gewehr, da ich nur meinen Revolver bei mir hatte. Robertson wollte mich unbedingt begleiten, da es ihm offenbar nicht wohl war bei dem Gedanken, in dieser fremden Umgebung mit den Zulus allein zu bleiben, doch Billali ließ das nicht zu; als Robertson darauf bestand, traten zwei der hochgewachsenen Krieger auf ihn zu und kreuzten vor ihm ihre Speere, eine recht bedrohlich wirkende Geste. Doch nachdem ich beschwörend auf ihn eingeredet und ihm klargemacht hatte, daß seine Halsstarrigkeit uns in Schwierigkeiten bringen könnte, gab er schließlich nach und ging ins Haus zurück.
Wir folgten dem Weg, den wir in der vergangenen Nacht gegangen waren, eine verfallene Straße – die, wie ich jetzt sah, nur eine von vielleicht hundert war, die diesen Komplex, der einmal eine große Stadt gewesen sein mußte, durchzogen –, bis wir zu dem großen Torbogen gelangten, den ich bereits erwähnte, der von Pflanzen überwuchert war, die ich ihrer gelben Blüten wegen für eine Abart des Goldlacks hielt, einer Art Saxifragus. Hier wurde Hans von den Wachen aufgehalten, und Billali erklärte mir, daß er hier auf meine Rückkehr warten müsse, ein Befehl, dem Hans sich willig unterwarf. Dann ging ich den schmalen Korridor entlang, auf dem wie zuvor zu beiden Seiten Wachen standen, reglos wie Statuen, und gelangten zu dem Vorhang an seinem Ende. Auf einen schweigenden Wink Billalis, der an diesem Ort nicht zu sprechen wagte, blieb ich stehen und
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