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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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hatte man mit Ihnen vor?«
    »Die Kutsche fuhr durch Kensington. Zum Palast. Ich nehme an, es war ihre Absicht, mich - nachdem sie die Sucht in mir erzeugt hatten - in die Ausführung irgendeines abscheulichen Verbrechens zu verwickeln.« Sparks leerte sein Glas und schaute in die Ecke. »Was Sie also in der Nacht gesehen haben, als wir nach Whitby fuhren ... Nun, trotz meiner äußersten Anstrengungen in den vergangenen Monaten ist es mir nicht gänzlich gelungen, mich von dieser ... Abhängigkeit zu lösen.«
    »Kann ich irgend etwas für Sie ...«
    »Nachdem ich Ihnen dies alles erzählt habe ... muß ich Sie als Freund und Gentleman ansprechen und darauf bestehen, daß wir nie wieder ein Wort über diese Sache verlieren.«
    Sparks' Kinnmuskeln strafften sich. Sein Blick war hart, seine Stimme klang heiser und verhalten.
    »Natürlich, Jack«, sagte Doyle.
    Sparks nickte. Er stand abrupt vom Tisch auf, und bevor Doyle reagieren konnte, war er aus der Tür. Das Gewicht des neuen Wissens trug zu Doyles bedrückender Müdigkeit bei. Er wankte ans Ende des Waggons und warf durch die zugezogenen Vorhänge einen Blick auf Eileen, die noch immer in der unteren Koje lag. Sie hatte die Position, die sie zuvor eingenommen hatte, nicht verändert. Ihr Atem ging langsam und regelmäßig. So leise, wie es Doyle möglich war, und das ihn verwirrende Wissen verdrängend, daß seine Entscheidung möglicherweise von größerer Bedeutung war, als er dachte, kletterte er in die obere Koje. Der Schlaf - eine resonante, schwarze, besinnungslose Tiefe - überwältigte ihn schnell.
    Doyle öffnete die Augen. Kein Gefühl von Bewegung. Der Zug stand. Tageslicht drang in die Koje. Er schaute auf die Uhr - Viertel nach zwei am Nachmittag -, teilte die Vorhänge und blinzelte in die Helligkeit hinaus: ein Bahnhof; derjenige, den sie schon zuvor in Battersea, im Süden der Stadt, benutzt hatten. Er schwang seine Beine über den Kojenrand und stieg hinab. Die untere Koje war so leer wie der Rest des Waggons. Er stieg aus. Lok und Tender waren verschwunden. Abgekoppelt. Der Waggon stand allein auf einem abgelegenen Gleis. Doyle blickte sich um, sah aber kein Anzeichen, daß Lok und Tender sich irgendwo hier befanden. Er eilte zum Büro des Stationsvorstehers. Am Fenster stand ein alter, schnauzbärtiger Lokführer.
    »Die Lok, die den Waggon da gezogen hat«, sagte Doyle und deutete hinaus. »Wo ist sie hin?«
    »Ist heute früh abgefahren«, sagte der Mann.
    »Es war eine Frau im Zug ...«
    »Hab keine gehen sehen, Sir.«
    »Jemand muß sie doch gesehen haben.«
    »Kann schon sein. Ich jedenfalls nicht.«
    »Wen kann ich fragen?«
    Der Alte sagte es ihm. Doyle befragte die Arbeiter, die bei der Ankunft des Zuges hier gewesen waren. Sie erinnerten sich daran, daß er eingefahren war, aber niemand hatte jemanden zu Fuß fortgehen sehen. Und schon gar keine Frau; daran würde man sich doch erinnern. Ja, ihr hättet euch an sie erinnert, dachte Doyle. Als er nach einer Visitenkarte suchte, um sie zurückzulassen, fiel ihm ein, daß der Rest seiner Habe in Ravenscar verlorengegangen war. Doch seine Jackentasche war nicht leer. Er fand darin eine dicke Rolle Fünf-Pfund-Noten und Sparks' silbernes Abzeichen. Er mußte sie ihm im Schlaf zugesteckt haben. Doyle zählte das Geld. Es war mehr, als er in einem Jahr verdiente, mehr, als er jemals auf einmal gesehen hatte.
    Er ging zum Waggon zurück und suchte methodisch nach irgendeinem Zeichen oder einem Brief, den man für ihn hinterlassen hatte, doch wie er schon vermutet hatte, fand er nichts. Er holte seinen Mantel, sprang von der Plattform und verließ den Bahnhof.
    Der Himmel war bedeckt, aber es war nicht sehr kalt, denn der Wind hatte sich gelegt. Doyle betrat einen Pub und stillte seinen nagenden Hunger mit einem Shepherd's Pie. Er dachte an Barry. Er kaufte sich an der Kasse eine Zigarre, verließ den Pub und zündete sie an, als er auf der Lambeth Bridge war. Auf halber Strecke blieb er stehen, blickte in die aufgewühlten, grauen Fluten der Themse und versuchte zu entscheiden, wohin er gehen sollte.
    Das alte Leben wieder aufnehmen? Falls seine Patienten, so wie er sie kannte, ihn überhaupt noch haben wollten. Die großzügige Summe, die man ihm hinterlassen hatte, war mehr als ausreichend, um ihm eine Wohnung zu verschaffen und die verlorenen Besitztümer neu zu erwerben. Nein. Nein, noch nicht.
    Die Polizei? Stand außer Frage. Nur ein Gedanke ergab einen dauerhaften Sinn. Er brachte den

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