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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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haben, ihn gründlich zu untersuchen ...«
    »Bitte, nur Ihre Meinung, Doktor.«
    Doyle zögerte und wägte seine Worte sorgfältig ab. »Ich würde Eurer Majestät respektvoll raten, den Herzog von nun an unter enger, wenn nicht gar ständiger Beobachtung zu halten.«
    Die Königin nickte und verdaute die volle Implikation seiner Aussage. Dann fuhr sie fort: »Nun ... Wir werden von Ihnen verlangen, Doktor, daß Sie schwören, keiner Seele gegenüber ein Wort über das verlauten zu lassen, was Sie gehört haben oder dessen Zeuge Sie geworden sind solange Sie leben.«
    »Ich schwöre es hiermit feierlich.«
    »Und natürlich auch kein Wort über unseren gemeinsamen Freund und das, was ihn mit uns verbindet. Auf diese beiden Punkte müssen wir leider hundertprozentig bestehen.«
    »Ja. Bei meinem Leben.«
    Sie schaute ihn an, fand Befriedigung in der Aufrichtigkeit seiner Antwort und entspannte ihren forschenden Blick. Doyle spürte, daß die Audienz zu Ende war.
    »Ich finde, Sie sind für Ihr Alter ein äußerst beeindruckender Gentleman, Dr. Doyle.«
    »Eure Majestät sind zu gütig.«
    Sie stand auf. Doyle war schneller, streckte eine Hand aus, die sie nahm, und fürchtete im selben Moment, einen schrecklichen Fauxpas begangen zu haben. Doch wenn es so war, brachte ihr kurzer, fürsorglicher Händedruck sein Gewissen zur Ruhe.
    »Es steht Ihnen zu, daß man Sie im Auge behält. Wir werden Sie im Auge behalten. Und wenn wir einen Grund finden, uns erneut an Sie zu wenden, seien Sie versichert, daß wir nicht zögern werden, es zu tun.«
    »Ich kann nur hoffen, daß ich Sie nicht enttäusche.«
    »Das, junger Mann, glaube ich kaum.«
    Königin Victoria lächelte noch einmal die unerwartete Ausstrahlung verblüffte ihn erneut und wandte sich zum Gehen. In diesem Moment schien das Gewicht der Welt wirklich auf ihren unglaublich schmalen Schultern zu ruhen. Sie hatte noch keine zwei Schritte getan, als Ponsonby - telepathisch herbeigerufen, wie es schien - im Türrahmen auftauchte.
    »Wenn ich so unverblümt sein darf, eine Frage zu stellen ...«, sagte Doyle.
    Die Königin blieb stehen und sah ihn an.
    »Hat unser gemeinsamer Freund Eurer Majestät irgendeinen Hinweis gegeben, wohin er gegangen sein könnte?«
    Er wußte nicht genau, ob seine Frage - oder seine Dreistigkeit - irgendeine unsichtbare Barriere der Schicklichkeit übertreten hatte.
    »Mit Rücksicht auf die Beweggründe unseres gemeinsamen Freundes«, sagte die Königin in wohlüberlegtem Tonfall, »haben wir es für ratsam befunden ... uns nie danach zu erkundigen.« Victoria hob listig eine Augenbraue: Dank Jack verging zwischen ihnen ein Moment nie dagewesener Intimität. Doyle lächelte und verbeugte sich leicht, als sie den Raum verließ. Ponsonby ging neben ihr her wie ein Schleppkahn, der einen Clipper eskortierte.
    Ich bin ein Mensch, dachte Doyle, der auf einem Kometen geritten ist. Ich weiß zwar, daß ich jetzt wieder festen Boden unter den Füßen habe, aber was auch immer geschehen mag, irgendwie werde ich nie wieder so sehen oder empfinden.
    Ponsonby kam kurz darauf zu ihm zurück, und sie gingen durch die privaten Korridore des Buckingham Palastes wieder zurück zur wartenden Kutsche. Der Sekretär öffnete ihm die Tür, wartete, bis er Platz genommen hatte, und reichte ihm dann ein kleines, rechteckiges Päckchen.
    »Mit freundlicher Empfehlung Ihrer Majestät«, sagte er.
    Doyle dankte ihm. Ponsonby nickte, dann schloß er die Tür, und Doyle fuhr allein zu seinem Hotel zurück. Erst als er in seinem Zimmer war, öffnete er das Päckchen.
    Es enthielt einen Füllhalter. Einen schlanken, schwarzen Füllhalter, und er lag so zart im Gleichgewicht seiner Hand wie eine Feder.

Brüder
    ER BLIEB NOCH weitere Tage im Melwyn und verbrachte die Morgenstunden, indem er gemächlich von einem Geschäft zum anderen schlenderte und nach Ersatz für die wichtigsten seiner verlorenen Besitztümer suchte. Was ihn dazu zwang, eine äußerst willkommene Frage zu erwägen: Was braucht man wirklich?
    Nachdem Doyle sein Mittagessen allein eingenommen hatte, kehrte er gewöhnlich in die Privatsphäre seines Zimmers zurück, wo er den Nachmittag damit verbrachte, Briefe an Eileen zu schreiben; all jene Dinge, von denen er sich wünschte, er hätte sie ihr gesagt, und von denen er hoffte, er würde eines Tages die Gelegenheit dazu bekommen.
    Als er an seinem letzten Tag in London vom Essen nach Hause kam, wartete am Empfang ein Brief auf ihn. Der Umschlag war

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