Sieben Erzaehlungen
festlichen Hupenklänge, ihr dröhnenden Auspuffexplosionen schöner Tage!
Auch die Garagen wurden wegen der ihnen innewohnenden Ansteckungsgefahr in der Mehrzahl gemieden. Wer nicht über einen privaten Abstellraum verfügte, zog es vor, das Auto in weniger befallenen Gegenden, etwa auf den Wiesen der Peripherie zu parken. Und jenseits der Reitbahn war der Himmel gerötet von den Scheiterhaufen der an der Pest gestorbenen Wagen, die in einem großen Gehege, vom Volke Lazarett genannt, aufgehäuft und verbrannt wurden.
unvermeidbarerweise kam es zu den schlimmsten Ausschreitungen: Diebstahl und Plünderung von unbewachten Wagen, anonyme Denunziation von Autos, die in Wirklichkeit gesund waren, aber doch im Zweifelsfalle kurzerhand konfisziert und verbrannt wurden, Übergriffe der mit der Kontrolle und Beschlagnahme beauftragten Totengräber, verbrecherische Gewissenlosigkeit derer, die ihr Auto weiter benutzten, obschon sie wußten, daß es verpestet war, und damit die Krankheitskeime ausstreuten, Verbrennungen von verdächtigen Wagen, während diese noch lebten (man hörte auf weite Entfernung ihre entsetzlichen Schreie).
Anfangs war in Wahrheit die Panik größer als der Schaden. Man schätzt, daß im ersten Monat nicht mehr als 5 000 Kraftwagen von den 200 000 unserer Provinz der Pest erlagen. Dann scheint eine Pause eingetreten zu sein, und das wirkte sich verhängnisvoll aus, denn in der Illusion, die Pest sei praktisch zu Ende gegangen, wurde eine große Anzahl von Wagen von neuem in Verkehr gebracht, wodurch die Ansteckungsgelegenheiten sich vervielfältigten.
und nun erwachte die Seuche von neuem mit verschärfter Wut. Das Schauspiel der auf der Straße von der Pest niedergerafften Wagen wurde eine normale Sache. Das weiche Summen des Motors ging plötzlich in ein rauhes, stoßweises Keuchen über und zersplitterte in einem rasenden Krachen des Eisens. Noch einige Zuckungen, dann blieb der Wagen stehen, ein rauchender, gottverlassener Schutthaufen. Aber noch schrecklicher war die Agonie der Lastwagen, deren kräftige Eingeweide verzweifelten Widerstand leisteten. Kläglich dumpfe Schläge und grausiges Gerassel entströmten den Innern dieser Ungetüme, bis eine Art zischenden Geheuls das schmachvolle Ende ankündigte.
Ich war zu jener Zeit Chauffeur einer reichen Witwe, der Marchesa Rosanna Finamore, die in Gesellschaft einer Nichte im alten Palast der Familie lebte. Mir ging es dort recht gut. Das Gehalt konnte man nicht gerade fürstlich nennen, aber dafür war der Dienst beinahe eine Sinekure: bei Tag oblagen mir nur wenige Fahrten, am Abend kaum je eine, daneben die Instandhaltung des Wagens. Es handelte sich um einen großen schwarzen Rolls Royce, schon bejahrt, doch von einem überaus aristokratischen Aussehen. Ich war stolz auf ihn. Auf der Straße verloren auch die stärksten Supersport-Wagen die gewohnte Anmaßung beim Erscheinen dieses alles übertreffenden Sarkophags, der gleichsam blaues Blut ausschwitzte. Insgesamt, ich hatte das Auto lieber, als wenn es mir gehört hätte.
Die Epidemie raubte daher auch mir den Frieden. Gewiß, man sagte, die vielzylindrischen Wagen seien praktisch immun. Aber wie konnte man dessen sicher sein? Die Marchesa verzichtete daher auf meinen Rat darauf, bei Tage, wenn die Ansteckungsgefahr am größten war, auszufahren und beschränkte den Gebrauch des Wagens auf seltene Ausgänge nach dem Abendessen bei Gelegenheit von Konzerten, Besprechungen und Besuchen.
Eines Nachts gegen Ende Oktober, gerade auf dem Höhepunkt der Pest, kehrten wir im gewohnten Rolls Royce nach Hause zurück. Wir kamen von einem Damenklub, in dem die Marchesa zuweilen ein Plauderstündchen verbrachte, um die Melancholie jener Zeit zu vergessen. Gerade, als wir auf dem Bismarckplatz anlangten, glaubte ich eine plötzliche kurze Unterbrechung im wohlklingenden Rauschen des Motors zu vernehmen, ein rauhes Kratzen, das den Bruchteil einer Sekunde dauerte. Ich fragte die Marchesa, ob sie es auch gehört habe.
„Ich habe nichts gehört“, sagte sie. „Mach dir keine Sorgen, Johann, und bilde dir nichts ein. Dieser alte Kasten hat vor niemandem Angst.“
Trotzdem wiederholte sich, bevor wir zu Hause angelangt waren, noch zweimal jenes verhängnisvolle Gequiek oder soll ich Stauung, soll ich Reibung sagen, und meine Seele füllte sich mit Erregung. In der kleinen Garage verweilte ich dann lange in Betrachtung des edlen Autos, das offensichtlich eingeschlafen war. So lange, bis ich aus
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