Sieben Jahre und eine Nacht
nahm sie bei der Hand und setzte sich neben Renee auf das Sofa. „Wieso?“
In seinen Augen spiegelten sich so viel Liebe und Geduld, dass es ihr fast das Herz zerriss. Jeden Moment würde es mit seiner Hingabe ein für alle Mal vorbei sein. Und dennoch: Sie würde es ihm sagen. Auf der Stelle. Und damit ihr Gefängnis sprengen. „Nach dem Tod deines Vaters … bin ich geworden wie meine Mutter.“
„Inwiefern?“, fragte Flynn.
Sie schluckte. „Nach und nach habe ich angefangen zu trinken. Zuerst haben wir ab und zu eine Flasche Wein aufgemacht, wenn du nach Hause gekommen bist. Dann wurde es bei dir immer später, und oft habe ich über das nachgedacht, was deine Mutter gesagt hatte. Dass ich nicht in eure Kreise passe und für dich nur eine Last bin. Dass ich an deiner Seite nicht repräsentieren kann, weil mir der Collegeabschluss und damit die Bildung fehlt.“
Nach einer Weile fuhr sie fort: „Immer wieder habe ich überlegt, ob sie vielleicht recht hatte. Ob du es vielleicht bereust, dass du mich geheiratet hast. Ob du deshalb kein Baby wolltest. Ob du eine andere hast …“
„Solche Sachen hat meine Mutter gesagt?“
Renee nickte.
„Seit ich dich im Farbenladen getroffen habe, gab es keine andere Frau in meinem Leben, das versichere ich dir. Ich habe immer nur gearbeitet.“
„Aber du bist auch nachts nicht heimgekommen.“
Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Mit Bedauern in der Stimme sagte er: „Ich konnte mich nur schwer an den Job als zweiter Geschäftsführer gewöhnen. Immer hatte ich Angst, einen Fehler zu machen, der dem gesamten Team schaden würde. Außerdem wollte ich alles aufarbeiten, was Vater hinterlassen hatte. Wenn ich dann heimgekommen bin und du wolltest, dass wir uns lieben, war ich zu erschöpft. Um dich nicht durch Zurückweisungen zu verletzen, habe ich oft im Büro geschlafen.“
Das klang im Nachhinein durchaus einleuchtend. „Wenn du mir das doch gesagt hättest.“
„Ich wollte dich nicht damit belasten. Aber abgesehen von Mutters Bosheiten: Warum bist du damals ausgezogen?“
Renee errötete. „Eines Morgens wachte ich auf, und zwei leere Flaschen Wein lagen auf dem Boden. Ich wusste nicht einmal mehr, dass ich die zweite aufgemacht hatte. Da merkte ich, dass ich mich auf dem besten Weg befand, so zu enden wie meine Mutter. Deswegen bin ich gegangen. Zu Hause in Los Angeles hat mir Grandma geholfen, einen Therapeuten zu finden.“
„Wenn du dich doch mir anvertraut hättest!“
„Wozu? Damit du den Respekt vor mir verlierst? Und aufhörst, mich zu lieben? Das habe ich bei den Geliebten meiner Mutter x-mal erlebt, wenn sie herausfanden, dass sie trank.“
„Willst du damit sagen, du bist Alkoholikerin?“
Sie sah ihn an und rechnete mit Ablehnung, doch an seinem Gesichtsausdruck hatte sich nichts geändert. „Ich weiß es nicht, Flynn. Darüber habe ich schon mit Therapeuten und Ärzten gesprochen. Sie halten mich nicht für trunksüchtig, weil die schwierige Phase nur ein paar Monate gedauert hat und ich freiwillig aufgehört habe. Inzwischen habe ich viele Strategien zur Stressbewältigung erarbeitet, Kochen gehört auch dazu. Trotzdem bin ich natürlich durch meine Mutter vorbelastet und möchte in dieser Hinsicht kein Risiko eingehen.“
„Deshalb trinkst du nie etwas.“
Sie nickte. „Ich halte es mit der alten Redensart: Wehret den Anfängen!“
„Du bist stark genug, und du schaffst es“, sagte Flynn.
„Auch starke Menschen machen manchmal Fehler.“
Wieder streichelte er ihre Wange. „Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht die nächsten fünfzig Jahre miteinander verbringen sollten.“
„O Flynn, ich würde nie verlangen, dass du mir wegen des Alkoholproblems Rückendeckung gibst. Grandma und ich mussten das oft für meine Mutter machen, Ausreden erfinden und so weiter. Glaub mir, du bist ohne mich besser dran. Nicht dass ich noch die Veranlagung auf die Kinder übertrage.“
„Renee, wenn nur vollkommene Eltern Kinder haben würden, wäre die Menschheit längst ausgestorben. Dann müssen wir den Kleinen eben auch – wie hast du es genannt? – Stressbewältigung beibringen. Ich liebe dich und kann ohne dich nicht leben.“
Renee spürte Hoffnung in sich aufkeimen, aber … „Ich komme nicht damit zurecht, dass andere uns beobachten und nur darauf warten, dass ich einen Fehler mache und sie dann über MC herziehen können.“
„Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich höre nämlich bei Madd Comm
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