Sieben Jahre
die Plastikbeschichtung des Treppengeländers an manchen Stellen bis auf das Metall abgewetzt. Obwohl ich bei meinem ersten Besuch ziemlich betrunken gewesen war, fand ich Iwonas Zimmer ohne große Schwierigkeiten. An der Tür war ein kleines Schild mit einer Nummer wie in einem Hotel. Darunter hatte Iwona ein Namensschild angebracht, auf dem in kindlicher Schrift ein komplizierter Nachname stand, den ich sofort wieder vergaß und den ich bis heute nicht richtig buchstabieren kann. Ich klopfte, und Iwona öffnete. Sie sagte nichts, aber sie trat beiseite und ließ mich herein, als habe sie mich erwartet. Der Fernseher lief, irgendein Kostümfilm mit romantischer Musik. Ich schloss die Tür hinter mir und ging auf Iwona zu, die zurückwich, im Gesicht einen lauernden Ausdruck. Am Fenster konnte sie nicht weiter, und ich nahm ihre Hände und küsste sie, küsste die Handflächen und die weichen weißlichen Arme. Iwona wand sich ein wenig, dann schien sie aufzugeben und zog mich weg vom Fenster. Sie ging rückwärts und stieß gegen das Bett und legte sich hin, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ihr Blick war leer wie der eines Tieres. Ich legte mich vorsichtig auf sie und küsste sie wieder und umarmte sie und tastete durch den weichen Stoff nach ihren Brüsten. Sie ließ alles geschehen, nur wenn ich versuchte, sie auszuziehen, wehrte sie sich, nicht weniger entschlossen als beim letzten Mal. Im Hintergrund schwoll die Musik an, der Film schien sich einem Höhepunkt zu nähern oder vielleicht auch nur dem Ende. Ich war sehr erregt, aber es war anders, als wenn ich früher mit einem Mädchen zusammen gewesen war, weniger eine Erregung des Körpers als des Geistes, ein warmes, dunkles Gefühl, eine Art überwältigender Geborgenheit. Ich empfand keine Scham, als ich meine Kleider abstreifte, obwohl mir bewusst war, was für ein lächerliches Bild wir abgeben mussten, ein nackter Mann, der sich an einer Frau in altmodischen, hässlichen Kleidern rieb. Es war mir einerlei. Iwona atmete tief ein und aus, ihre Hände lagen auf meinem Rücken, als wollte sie mich festhalten. Ohne dass irgendetwas geschah, hatte ich das Gefühl, sie gebe sich mir hin.
Diesmal blieb ich nicht über Nacht, aber wieder war es, als ich endlich ging, eine Flucht. Iwona hatte die meiste Zeit geschwiegen, sie sagte nicht mehr, sie liebe mich, stieß nur manchmal jenen japsenden Laut aus, den ich schon kannte. Wenn ich ihre Hände nahm und versuchte, sie zu führen, zog sie sie zurück. Als ich endlich von ihr abließ, müde und unbefriedigt und immer noch erregt, und wir nebeneinander im Halbdunkel lagen, ich nackt, sie mit verrutschten, zerknitterten Kleidern, fragte ich, was machen wir hier? Was wird das? Da sagte sie, sie habe gebetet, dass ich zu ihr komme. Sie sprach mit der Stimme eines kleinen Mädchens, das vollkommen überzeugt ist, dass sein Gebet die Welt verändern kann. Ich glaube nicht an Gott, sagte ich. Das macht nichts, sagte Iwona. Ich musste lachen. Glaubst du wirklich, der liebe Gott kümmert sich um dein Liebesleben? Sie sagte nichts, aber als ich sie anschaute, hatte sie wieder jenen einfältig stolzen Ausdruck im Gesicht wie am Nachmittag, als sie an der Tür der Buchhandlung gestanden hatte. Ich wurde wütend, ich sah mich ihr die Kleider vom Leib reißen, sie an den Haaren festhalten, an den Armen, und sie gegen ihren Willen nehmen. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Es war die Selbstzufriedenheit der Heiligen auf den kleinen Bildchen im Laden, die zu sagen schien, jedes Unrecht, das du mir tust, bindet dich nur noch stärker an mich.
Ich setzte mich auf und rieb mir die Augen voller Scham über meine Gedanken. Als Iwona meinen Rücken berührte, zuckte ich zusammen und sprang auf. Sie sagte, sie habe gebetet, dass ich sie anspreche. Sie habe sich schon ein paar Mal in meine Nähe gesetzt im Biergarten, aber ich hätte sie nie bemerkt. Mich schauderte. Die Vorstellung, von Iwona auserwählt worden zu sein, hatte etwas Unheimliches. Warum ich? Sie gab keine Antwort. Ich muss gehen, sagte ich und zog mich schnell an. Die Schuhe band ich im Treppenhaus.
An den nächsten Tagen mied ich Iwona. Ich hätte mich auf die Diplomvorstellung vorbereiten müssen, stattdessen fing ich noch einmal ganz von vorne an. Ich stand früh auf und machte neue Skizzen. Erst kam nicht viel dabei heraus, aber trotz des dauernden Scheiterns hatte ich das Gefühl, meine Gedanken klärten sich, ich finge an, etwas zu begreifen, das
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