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Sieben Jahre

Sieben Jahre

Titel: Sieben Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stamm
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sind.
    Rüdiger sagte, er leiste mir Gesellschaft. Wir setzten uns auf das Podest des kleinen Tempels, und er bot mir eine Zigarette an. Die Hässlichsten sind am schwersten rumzukriegen, sagte er. Weil sie keinen bekommen, glauben sie, sie seien etwas Besonderes. Ich schüttelte den Kopf. Unsinn. Iwona erinnere ihn an ein Mädchen, mit dem er am Anfang seiner Gymnasialzeit gegangen sei, sagte Rüdiger. Im Nachhinein könne er sich selbst nicht erklären weshalb. Eigentlich sei er da schon in Sonja verliebt gewesen, aber sie habe ihn überfordert mit ihrer Schönheit und allem. Vermutlich habe ich mich aus Angst vor ihr für die andere entschieden, sagte Rüdiger, oder ich wollte Sonja provozieren. Brigitte sah nicht gut aus, und sie war furchtbar anstrengend und meistens schlecht gelaunt. Mehr als küssen und ein bisschen fummeln durfte ich nicht. Aber von ihr trennen konnte ich mich irgendwie doch nicht. Sie hat mich manipuliert, ich habe nie ganz herausgekriegt, wie sie das geschafft hat. Er erzählte weiter, aber ich hörte nicht mehr zu. Meine Laune war nicht besser geworden. Das Bier hatte mich müde gemacht, ich schwitzte und fühlte mich unwohl. Ich fragte mich, weshalb ich auf Iwona wartete, wenn mir ihre Gesellschaft so unangenehm war. Vielleicht aus einem Rest von Anstand, vielleicht aus Neugier, vielleicht auch nur, weil es zum Gehen einen Entschluss erfordert hätte und meine schlechte Laune mich lähmte.
    Iwona kam zwanzig Minuten zu spät. Sie trug dieselben Kleider wie am Mittag und zusätzlich ein beiges Strickjäckchen, obwohl es immer noch heiß war. Sie entschuldigte sich nicht und nannte auch keinen Grund für ihre Verspätung. Also los, sagte Rüdiger und stand auf.
    Wir trafen die anderen an einer Stelle in der Nähe des Sees, wo wir oft waren. Die Mädchen begrüßten Iwona, aber sie beachteten sie kaum. Wir hatten Decken mitgebracht und Ferdi ein paar Flaschen Bier, das lauwarm war. Träge lagen wir da und reichten die Flaschen herum und redeten über alles Mögliche. Iwona trank nichts und beteiligte sich kaum am Gespräch. Sie putzte sich nur dann und wann die Nase und lächelte einfältig, wenn einer von uns eine besonders dumme Bemerkung machte. Ein paar Mal wollte sie etwas sagen, aber dann fiel ihr jemand ins Wort, und sie schwieg sofort wieder. Ich merkte, dass sie mich beobachtete. Jedes Mal, wenn ich zu ihr hinschaute, schaute sie weg, als hätte ich sie ertappt. Wieder hatte ich Lust, sie zu kränken, zu verletzen. Ihre Hässlichkeit und ihre Ärmlichkeit reizten mich, ihr Verlangen, zu uns zu gehören, entblößte uns und machte uns lächerlich. Ich überlegte mir, wie wir sie abschütteln könnten. Wollen wir baden gehen?, fragte ich schließlich. Wir packten unsere Sachen und gingen los. Iwona hatte nichts gesagt, aber sie trottete hinter uns her zum Eisbach. Der größte Teil der Liegewiese lag schon im Schatten, und die wenigen Leute, die noch da waren, drängten sich auf den letzten sonnigen Flecken. Ich hatte gedacht, die nackten Leute würden Iwona abschrecken, aber sie zeigte keinerlei Reaktion und setzte sich stumm auf eine der Decken, als stehe der Platz ihr zu. Ferdi sagte, er ginge Bier kaufen, und verschwand.
    Die Mädchen trugen Bikinis unter den Kleidern, Rüdiger und ich zogen uns aus und rannten nackt hinunter zum Wasser und sprangen hinein. Als wir kurz darauf zurückkamen, lagen die Mädchen nebeneinander auf der Decke und redeten leise. Die Blondine hatte ihr Bikinioberteil ausgezogen, als wir uns näherten, drehte sie sich auf den Bauch. Iwona saß im Schatten, sie hatte nicht einmal ihre Strickjacke abgelegt. Sie schaute mich an mit ihrem erstaunten Blick, und meine Nacktheit war mir peinlich, und ich zog Unterhose und Hose an. Dann spielte ich mit Rüdiger Frisbee. Die Mädchen schienen sich nicht für uns zu interessieren, vermutlich sprachen sie darüber, wie sie den Abend verbringen würden, und ich war sicher, wir spielten in ihren Plänen keine Rolle. Tatsächlich sagten sie, als Ferdi endlich zurückkam, sie müssten los. Ferdi versuchte halbherzig sie zurückzuhalten, aber ich glaube, im Grunde waren wir alle froh, dass sie gingen. Nur Iwona machte keinerlei Anstalten aufzubrechen.
    Inzwischen lag die ganze Wiese im Schatten. Die letzten Badenden hatten sich angezogen und waren gegangen und ließen sich jetzt wohl durch die Biergärten und Kneipen der Stadt treiben. Ich wurde von einer Mischung aus Melancholie und Erwartung erfasst, es war, als sei die

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