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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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lass uns in Frieden, Hexenjäger!«
    »Die Welt wird nicht untergehen, Ottwald.«
    »Das sagst du! Aber wie kannst du dich über den Willen des Herrn erheben?«
    »Der Wille des Herrn ist, dass diese Menschen wieder in ihrer Kirche beten können, wann und so oft sie wollen.«
    »Sag ihnen, sie sollen sich eine neue bauen!«
    Zorn lag plötzlich in Gotens Stimme. »Ich sage dir, Ottwald von Rehn, dass du diese Kirche verlassen wirst – oder aber du und die deinen werden noch heute zu Grunde gehen!«
    Ottwald gab keine Antwort. Stattdessen erschien er nach wenigen Augenblicken oben auf dem Dach, schwer atmend von dem raschen Aufstieg. Die drei Bogenschützen gesellten sich an seine Seite.
    »Falsch, Hexenjäger!«, rief der Händler von oben herab. »Ich könnte deinen Tod befehlen, jetzt gleich, wenn ich es wollte. Aber du sollst unbehelligt von dannen ziehen, Goten. Dein Tod bedeutet mir nichts. Verschwinde von hier, und kehre niemals zurück!« Damit gab er einem der Schützen ein Zeichen, und der Mann ließ einen Pfeil in die Tiefe herabzucken. Er schlug nur einen Schritt von Goten entfernt in den Boden. Das Geschoss war absichtlich fehlgegangen. Nur eine Warnung.
    Aber Goten war kein Mann, dem man ungestraft drohte. Jeder hier wusste das. Sein Ruf war bekannt. Unerbittlich verfolgte er diejenigen, die es wagten, sich gegen die Kirche zu stellen. Heiden, Ketzer, Hexen – Goten sprach Gericht über sie und strafte streng. Viele hatte er schon geächtet, viele hatte er in den Kerker geworfen. Es war verwunderlich, dass Ottwald sich angesichts dessen zu solch einem Fehler hinreißen ließ.
    Goten schenkte dem Pfeil keine Beachtung. Ungerührt drehte er sich um und entfernte sich gemessenen Schrittes vom Kirchtor. Die Menge am Brunnen teilte sich, um Platz für ihn zu schaffen.
    »Leg dich nicht mit mir an, Goten!«, höhnte Ottwald oben auf dem Dach. »Es könnte das Letzte sein, was du tust.«
    Die Menge hielt den Atem an, als Goten wie vom Blitz getroffen stehen blieb. Ganz langsam wandte er sich um und schaute zum Kirchdach empor. Sein Tonfall war eisig.
    »Sag deinen Leuten, sie haben die Wahl«, rief er. »Entweder, sie verlassen die Kirche, oder sie sterben an deiner Seite!«
    Ohne Ottwalds Erwiderung abzuwarten, ging Goten davon, zurück in Richtung Wirtshaus.
    Dea blickte ihm nach. Es war ihr egal, was die anderen redeten. Früher hätte sie angestrengt gelauscht, versucht, Gerüchte aufzuschnappen. Jetzt aber war ihr nur wichtig, so eng wie möglich bei Goten zu bleiben. Sie hatte fast das Gefühl, als zerrte er sie an einem unsichtbaren Band hinter sich her. Ob das eines der Gebete ihrer Mutter bewirkt hatte? Ach was, Unsinn! Sie war neugierig, das war alles.
    Hastig lief sie hinter dem Hexenjäger her. Ohne ihm zu nahe zu kommen, beobachtete sie, was er als Nächstes unternahm.
    Vor dem Gasthof stand Gotens Pferdekarren bereit. Der Hexenjäger sprang mit wirbelndem Gewand auf den Kutschbock, griff nach den Zügeln und trieb sein Ross Richtung Kirche. Dea musste rasch zur Seite springen, damit sie nicht unter die Hufe des mächtigen Pferdes geriet. Mit einem Fluch auf den Lippen fuhr sie herum und eilte hinter dem Karren her, zurück zum Kirchplatz.
    Die Menschenmenge spritzte erneut auseinander, als Goten zurückkehrte. Vor der Kirche sprang der Hexenjäger vom Bock und machte sich an einem großen Fass zu schaffen, das an der hinteren Kante des Karrens stand. Er zog einen Pfropfen heraus, und sogleich spritzte unter starkem Druck der Strahl einer Flüssigkeit daraus hervor. Sie war rötlich und ergoss sich hinter dem Karren auf den Boden. Unter den verwunderten Blicken der Bogenschützen kehrte Goten seelenruhig zurück auf den Kutschbock. Dann lenkte er das Pferdegespann gelassen in einem engen Kreis um die Kirche.
    Ottwald war vom Dach des Gotteshauses wieder ins Innere herabgestiegen. Wer aufmerksam horchte, konnte hinter dem Portal seine Stimme hören. Er schrie in maßloser Wut auf seine Gefolgsleute ein. Dea rümpfte die Nase; Kerle wie der Händler ließen ihren Zorn und ihre Hilflosigkeit stets an Schwächeren aus. Um seine Drohung wahr zu machen und einen Mann wie Goten zu töten, fehlte dem fetten Kaufmann der Mut.
    Wenig später hatte Gotens Karren seinen Kreis um die Kirche beendet. Der Hexenjäger verschloss das Fass wieder, dann lenkte er den Wagen zum Rand des Kirchplatzes.
    Verwirrt betrachtete Dea die nasse Spur, die der Karren rund um die Kirche zurückgelassen hatte. Die rätselhafte

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