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Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Titel: Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Lastwagen«, schlug Nils leise vor.
    »Viel größer. Und es hatte Augen«, meinte Chris kopfschüttelnd. »Glühende Augen.«
    Nils winkte ab. »Scheinwerfer.«
    »Glühende, rote Augen.«
    »Rücklichter.«
    »Und einen langen Schwanz mit Spitzen drauf.«
    »Einen … ähm, was?«
    Chris warf Nils einen ungeduldigen Blick zu.
    »Ich hab mich bestimmt nicht getäuscht.«
    »Nein«, pflichtete Lisa ihm bei. »Ich glaube, ich hab’s auch gesehen. Und es hatte einen dreieckigen Kopf auf einem langen Hals. Es sah aus wie ein –«
    Weiter kam sie nicht, denn im selben Moment schob sich etwas von außen vor ihr Fenster, eine Mauer aus dunkelbraunen Schuppen, zerfurcht und rissig und übersät mit winzigen roten Käfern – Parasiten, die Sporen und Pilze aus dem Schuppenkleid ihres Wirtes pickten. Der riesenhafte Körper zog von links nach rechts an der Scheibe vorüber, keine Armlänge vom Glas entfernt, und er füllte das Rechteck vollkommen aus, so als glitte der Riesenrumpf eines Ozeandampfers an ihnen vorbei.
    Sie hörten Schritte, ein mächtiges, dumpfes Donnern, das die Vorhänge und ihre Knie erzittern ließ. Und sie vernahmen rasselnden Atem, dann ein bösartiges Zischen wie von einer Schlange, nur hundertfach verstärkt.
    Schließlich spürten sie, wie sich etwas von außen gegen den Zug presste, ihn aus den Gleisen hob und zur Seite drückte.
    »Wir kippen um!«, schrie Nils, und dann versank alles in einem Wirbel aus Armen und Beinen und splitterndem Glas.
    Der Drache spie triumphierend eine turmhohe Feuersäule hinauf in den Himmel, und für einen Augenblick wurde die Nacht zum flammenhellen Tag.
     

Kampf über dem Wasser
    Kyra beobachtete genau, was Dea tat.
    Es fiel ihr noch immer schwer, die fremde Frau als das zu akzeptieren, was sie war – ihre Mutter –, und sie hatte beschlossen, sie weiterhin Dea zu nennen, auch wenn sie tief in sich längst eine Vertrautheit spürte, die sie verwirrte, aber auch glücklich machte.
    Dea war ihre Mutter. Und Dea war eine Hexe.
    Genau wie Kyra selbst einmal eine sein würde, wenn Deas ominöse Andeutungen der Wahrheit entsprachen.
    Nachdem sie die schlafende Besitzerin auf den Boden ihres Kassenhäuschens gelegt und ihr ein Kissen unter den Kopf geschoben hatten, waren sie tiefer in das Museum zurückgewichen. Gemeinsam waren sie durch das Labyrinth der Gänge gestreift, und immer wieder hatte Dea aus der einen oder anderen Ausstellungsnische einzelne Stücke aufgelesen, bis sie beide voll gepackt waren mit vertrockneten Wurzeln, einem Fledermausgerippe, verschiedenen Tiegeln und Schalen, Ledersäckchen mit aromatischen Kräutern, einem menschlichen Oberschenkelknochen und acht daumenlangen Fangzähnen, von denen Kyra annahm, dass sie von Löwen oder Tigern stammten; Dea allerdings erklärte ihr, dass es sich um die Fänge eines Höhlentrolls handele, und zwar alle acht von einem einzigen Troll.
    Schließlich entdeckten sie in einer Nische eine Szene, die direkt aus einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht stammen mochte. Eine lebensechte Puppe, ein orientalischer Hexenmeister mit Turban und ausgestopfter Königskobra, saß im Schneidersitz auf einem Teppich. Die Fasern des Gewebes waren so alt und zerschlissen, dass Kyra fast hindurchschauen konnte, als Dea den Teppich mit einem Ruck unter der Puppe hervorzog und eingehend betrachtete.
    »Hervorragend«, flüsterte Dea.
    »Ein alter Teppich?« Kyra trug unter anderem den Oberschenkelknochen auf dem Arm und konnte es gar nicht erwarten, das eklige Ding endlich loszuwerden.
    » Ein fliegender Teppich « , sagte Dea. »Zumindest ist er früher einmal geflogen. Möglich, dass wir ihn wieder in Gang bekommen.«
    »Das klingt, als würdest du über ein kaputtes Auto reden.«
    »Ein fliegender Teppich war im alten Arabien im Grunde nichts anderes – zumindest für jene, die damit umgehen konnten. Ich habe selbst mal einen besessen. Der Kalif von Bagdad hat ihn mir geschenkt, als ich seinen Palast vom Fluch eines bösartigen Dschinn befreit habe.«
    Ein paar Sekunden lang schweifte ihr Blick in weite Ferne. »Das muss jetzt, uh, ich weiß nicht genau, vielleicht siebenhundert Jahre her sein. Vielleicht auch länger.«
    Kyra räusperte sich irritiert. »Können wir uns diese Dinge nicht für die Zeit aufheben, wenn wir hier raus sind?«
    »Macht dir das Angst? Keine Sorge, ewiges Leben ist nicht vererbbar, soweit ich weiß. Genau genommen ist meines sogar beendet – eigentlich sollte ich sterben, nachdem eine würdige

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