Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
Vom Netzwerk:
Seine Mundwinkel verzogen sich verächtlich. »Weshalb, um Himmels willen, hätte ich das tun sollen?«
    Em sparte sich die Antwort auf diese Frage. »Haben Sie die Mail noch?«
    »Sie meinen die mit der Anfrage?«
    »Ja.«
    »Leider nicht.«
    Zhou machte sich eine entsprechende Notiz. »Sie archivieren solche Zuschriften demnach nicht automatisch?«
    »Nein, wir archivieren nur Korrespondenz, die in direktem Zusammenhang mit unseren Patienten steht.«
    Em fiel auf, dass er im Plural sprach, sobald es um die Praxis ging, und automatisch musste sie wieder an Deckers Rüge denken. Du behandelst diese arme Kleine wie eine Aussätzige …
    »Sagen Sie, bekommen Sie öfter Anfragen nach Praktika oder Hospitanzen?«, meldete sich in diesem Moment die »arme Kleine« neben ihr zu Wort.
    »Von Studenten ab und zu«, nickte er. »Aber im Vergleich zu früher ist das verschwindend wenig geworden.«
    »Sie meinen, als Sie noch mit Psychopathen zu tun hatten,war das Interesse größer?«, konnte Em sich nicht zurückhalten zu bemerken.
    Westen bedachte sie mit einem resignierten Kopfschütteln.
    »Das wäre zunächst alles«, verkündete Em fröhlich. »Bitte sorgen Sie dafür, dass uns die Daten zu Alois Berneck und Jonas Tidorf so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt werden.«
    »Selbstverständlich.« Er betätigte die Gegensprechanlage. »Frau Gerolf?«
    »Ja?«
    »Bitte machen Sie für die Damen von der Polizei Kopien der Patientenakten von Alois Berneck und Jonas Tidorf.«
    Obwohl sich die Sekretärin in einem anderen Raum befand, konnte Em ihre Skepsis fast körperlich spüren.
    Was denn? Einfach so?
    »Das geht in Ordnung«, sagte Westen, der die Skrupel seiner Angestellten ebenfalls registrierte.
    »Wie Sie wünschen.« Die Gegensprechanlage knackte.
    »Ich hätte da noch eine Bitte«, sagte Zhou, als Em schon fast an der Tür war.
    Sie drehte sich um und sah, dass auch Sander Westen sichtlich verblüfft war darüber, dass die Sache noch immer kein Ende hatte.
    »Ja?«
    »Würden Sie nachsehen, ob eine Frau namens Lina Wöllner irgendwann mal Patientin bei Ihnen gewesen ist?«
    Verdammt!
    Kaum dass der Name heraus war, hätte Em sich am liebsten in der Luft zerrissen für ihr Versäumnis. Eines der Opfer, dachte sie, genau wie Tidorf und Berneck. Und ich habe vergessen, nach ihr zu fragen. Zugleich fiel ihr auf, dass Zhou Lina Wöllners Namen ebenfalls unterschlagen hatte. Vorhin, als sie Westen die Fotos der Toten über den Tisch gereicht hatte. War das etwa Absicht gewesen?
    Doch sie kam nicht dazu, länger darüber nachzudenken, denn Westens Reaktion beanspruchte all ihre Aufmerksamkeitfür sich. Der Psychologe wurde von einem Augenblick auf den anderen leichenblass.
    »Da muss ich nicht nachsehen«, entgegnete er tonlos. »Ich kenne Lina.«
    Em kniff die Augen zusammen. »Woher? War sie auch Patientin bei Ihnen?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Nicht mehr.«
    »Aber früher?«
    Er beschränkte sich auf ein knappes Nicken. Der Schock schien ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen zu haben. »Ist sie auch …?«
    »Tot?«, fragte Em, und mit einem Mal tat er ihr fast ein wenig leid. »Ja, ist sie.«
    Er senkte den Kopf. Als er wieder hochsah, lag eine neue Entschlossenheit in seinem Blick. »Lina hat mich nie konsultiert«, sagte er. »Aber sie suchte mich erst kürzlich einmal hier in der Praxis auf.«
    »Weswegen?«
    Und jetzt lachte er plötzlich wieder. »Um mir zu drohen.«
    Em hatte mit allem gerechnet. Aber nicht damit. »Lina Wöllner hat Ihnen gedroht?«, fragte sie entgeistert. »Weswegen?«
    »Ich hatte mit ihr vor vielen Jahren mal zu tun«, erklärte er. »Im Zuge meiner Arbeit in Haina.« Er zögerte. »Lina stand damals im Verdacht …«
    »… ihre Mutter getötet zu haben«, ergänzte Em. »Das wissen wir.«
    »Ich sollte ein Gutachten erstellen. Es ging dabei in erster Linie um eine Prognose ihrer Suchterkrankung. Aber auch um die Wahrscheinlichkeit der genannten Anschuldigungen.« Er zuckte die Achseln. »Wie Sie vermutlich ebenfalls wissen, schaffte Lina kurz danach den Absprung aus dem Milieu und heiratete.«
    Em runzelte die Stirn. »Und weshalb glaubte sie nach all diesen Jahren, Ihnen drohen zu müssen?«
    »Soweit ich sie verstanden habe, wusste ihr Mann nicht Bescheid über ihre Vergangenheit. Zumindest nicht über alles. Und sie war wohl in Sorge, dass ich ihm etwas erzählen könnte, das ihn von ihr abbringt.«
    »Aber das dürften Sie doch gar

Weitere Kostenlose Bücher