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Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition)

Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition)

Titel: Siebzig Acryl, dreißig Wolle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viola Di Grado
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eine Wortsuppe und dann doch bloß blöd grinsende Smileys wurden.
    Ich fühlte mich aufrichtig. Ich schloss den Laptop und schaltete auch das Handy aus.
    Geräusche von Livia, die auf hohen Absätzen die Treppe herunterkommt. Ich stand auf. Von hinten sah ich einen makellosen kleinen Dutt auf ihrem Hinterkopf, und sie trug ein heftiges Parfüm. Ich packte sie an der Schulter und sagte hörbar zu ihr: »Du bist schön, aber wohin gehst du, was hast du vor?«
    Sie dreht sich um. Ihre langen Wimpern waren die schamlose Quintessenz von schwarzer Farbe, ohne dass sie das banale Geflunker von Mascara gebraucht hätten. Ihre Wangen waren der Inbegriff von Rot, und zum Teufel mit dem Abdeckstift. Ihre Lippen waren von einem Fuchsiarosa, das schöner und natürlicher war, als ich es je gesehen hatte. Das Licht wurde nur deshalb zu Farbe, um sich auf dem Körper meiner Mutter ausdrücken zu können.
    »Du siehst so toll aus … Verrätst du mir denn, wo du hingehst?«
    Ihr Blick sagte mir: Du wirst dich für mich freuen.
    Ich antwortete ihr mit einem Lächeln, das sagen sollte: Und wieso?, was eines der schwierigsten Phoneme in der Sprache des Lächelns ist, weil du in der Heiterkeit des Lächelns eine Überraschung andeuten musst, ohne dadurch die Heiterkeit zu verdrängen.
    Und Livia wollte mir gerade mit einem Blick etwas sagen, als es an der Tür klingelte.
    Meine Güte. Das musste Wen sein, der meine Mail gelesen hatte. Nein, ich hatte sie ja gar nicht geschickt. Dann war es Wen, der wissen wollte, warum ich nicht zum Unterricht gekommen war.
    Hilfe. Mein Herz klopfte so heftig, dass es überall wehtat. In diesem Zustand durfte er mich auf gar keinen Fall sehen.
    Ich stand auf, während meine Mutter, schwankend auf ihren hohen blauen Absätzen, ging, um zu öffnen.
    Ich wusch mir zwei Mal das Gesicht und putzte mir die Zähne, ich kämmte mich. Ich wühlte im Schrank nach einem schönen Kleid, stieß aber nur auf meine Armada aus gemeuchelten Klamotten.
    Ich lief im Eilschritt ins Zimmer meiner Mutter. Zuerst stolperte ich über das französische Kleid, dann wählte ich einen weißen Hosenanzug, der nach Mottenkugeln roch und in mir die Erinnerung an all die Winter weckte, die ich in dem Schrotthaus an der Christopher Road auf meinem Platz der Holzklasse erlebt hatte.
    Ich lief die Treppe hinunter, wobei ich aufpassen musste, nicht in den Schuhen meiner Mutter zu stolpern, die zwei Nummern größer waren als meine, zumal die Hosenbeine des Anzugs so lang waren, dass sie bereits auf der Hälfte der Treppe ein Kilo Staub angesammelt hatten.
    Ich gab ein legasthenisches »Da bin ich« von mir, das außer mir niemand hörte.
    Ich hob den Blick von den Schuhen.
    An der Tür stand ein Lächeln. Es gehörte zu einem blendend aussehenden Mann, der jedoch nicht Wen war.
    In dieser armseligen Welt ist es ganz normal, dass man an der Tür auf einen Menschen trifft, der einem niemals das Leben retten wird. Ich blieb mit meinen riesigen Absätzen aus weißem Lackleder auf der Treppe stehen, als wäre diese vollkommen falsche Geschichte letztendlich gar nicht die meine.
    Sie sagte mir mit einem Lächeln Komm doch runter, und der Dolmetscher wird noch hinzufügen: »Das glaubst du nicht.«
    Ich stieg die Treppe hinunter.
    Der attraktive Unbekannte stand dort an der Tür mit einem Lächeln auf dem Gesicht, durch das er leicht den Weltfrieden errungen hätte. Dazu zweiunddreißig Zähne, zweiunddreißig Mal vollkommen, dunkelblonde Locken, so zart gewellt wie ein Strand in einem Reiseprospekt, eine feine Nase und dunkelblaue Augen im XXL -Format. Seine schmalen, langen Hände steckten in den Taschen einer Nadelstreifenhose in der Farbe Hochzeitsreise-auf-einer-Jacht, einem Nachtblau ohne Mond, dazu ein eisbergweißes Hemd, an dem die Jacht leicht zerschellen und die beiden Liebenden in einen tragischen Tod reißen könnte.
    Und da war sie, die ihn anschaute, schimmernd und glitzernd, Livia Mega, meine Mutter. Das glaube ich nie im Leben.
    »Hallo, Camelia, ich bin Francis, der Fotolehrer deiner Mutter. Weißt du, dass sie richtig gut ist?«
    »…«
    »Ich klau sie dir nur ein paar Stunden, weil wir Chinesisch essen gehen.«
    »Dahin, wo sie die Ente vor deinen Augen vierteilen?«
    »Wie bitte?«
    »Nichts, nichts.«
    Ich verstehe gar nichts mehr. Während meine Mutter ihren himmelblauen Regenmantel anzog, erzählte mir Francis ganz aufgeregt, dass er auch Witwer sei, wobei er keinen Moment lang aufhörte zu lächeln. Schließlich sagte

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