Sieg der Liebe
mich!“ klagte Antoinette. „Wie soll ich ohne Liebe leben?“
Gabriel erklomm eine weitere Stufe. Der Schein des Feuers erhellte sein Gesicht. „Das müssen Sie nicht, madame“, sagte er schmeichelnd. „Ihr Sohn liebt Sie. Sie haben ihn selbst gehört. Er liebt meine Tochter, und sie liebt ihn. Gibt es schönere Worte für eine Mutter?“
„Nein!“ Plötzlich nahm sie die Waffe von Jerusas Kopf und stieß sie von sich. Jerusa taumelte auf der Treppe und versuchte, das Gleichgewicht zu halten, während Michel ihr entsetzt zusah.
Lieber Himmel, nicht seine Jerusa, nicht jetzt, nicht auf diese Weise.
Mit einem kleinen Aufschrei gelang es ihr, zurückzuweichen. Sie stürzte vorwärts und stolperte die drei obersten Stufen hinab. Michel eilte auf sie zu, um sie aufzufangen.
„O Michel“, sagte sie schaudernd, lehnte sich an seine Schultern und weinte. „O Michel, ich hatte solche Angst, daß ich nie wieder bei dir sein könnte!“
„Still, ma chere", flüsterte er, während er sie in seinen Armen hielt. „Es ist vorüber, ma petite, es ist vorüber, und du bist in Sicherheit.“
Aber es war nicht vorüber, und sie war nicht in Sicherheit, denn als er über Jerusas Kopf hinwegblickte, begegnete er dem verlorenen, leeren Blick seiner Mutter, die langsam die Pistole hob, während die Flammen hinter ihr immer höher emporzüngelten.
„Nein, Maman', sagte er und hielt Jerusa fester, als er sie zur Seite schob, um sie mit seinem Körper zu schützen. „Oh, Maman, tu das nicht!“
Und zum erstenmal, seit er sich erinnern konnte, lächelte sie. „Ich wollte dir nie weh tun, Michel“, gestand sie unter Tränen. „Ich wollte ...“
Unsicher drehte sie sich um und richtete die Waffe auf die Brust von Gabriel Sparhawk. „Und Sie haben mir alles genommen, nicht wahr?“ schrie sie mit der ganzen Verzweiflung, die sie überkam. „Sie haben alles genommen - meine Liebe, mein Leben und jetzt auch noch meinen Sohn. Nichts haben Sie mir gelassen. Nichts!“
Sie zielte und drückte ab. Doch Gabriel stand noch immer vor ihr, reglos und unverletzt, und zu spät erkannte sie, daß die Waffe leer war. Und selbst diesmal, zum letztenmal hatte er gewonnen, und sie hatte verloren.
Mit Jerusa an seiner Seite lief Michel zu ihr, als die Flammen den Saum ihrer Röcke berührten. „Komm, Maman, beeil dich! “ Sie lächelte ihn noch einmal schwach an. „Nein, Christian“, sagte sie leise. „Es ist zu spät für uns, aber ich bete darum, daß es noch nicht zu spät ist für sie.“
Und ehe Michel sie erreichen konnte, trat sie zurück und stürzte in die Tiefe.
EPILOG
Newport Juni 1 772
Die Fenster im Haus der Sparhawks waren weit geöffnet in dieser lauen Sommernacht, und die Rufe und das Gelächter der Gäste und der Familie, die hier zum Geburtstag des alten Captains zusammengekommen waren, erklangen über den Rasen hinweg bis in den Garten.
Jeder Toast, der Gabriel Sparhawk zu Ehren ausgesprochen wurde, hatte dasselbe Thema: Staunen und Bewunderung, daß ein so charmanter Mann seinen sechzigsten Geburtstag erlebte, umgeben von seiner Frau, seinen Kindern und Enkelkindern.
Im Schatten des Kirschbaums lächelte Michel, als einer seiner Schwager mit donnernder Stimme einen besonders heftigen Toast aussprach, der die Männer veranlaßte zu brüllen und mit den Füßen zu stampfen, während die Frauen aufschrien. Noch immer gab es einige Besonderheiten bei diesen Engländern, die er weder verstand noch bewunderte, aber er würde sie nicht für alles Gold der Welt eintauschen.
Er bückte sich, um eine Rose zu pflücken. Sorgfältig entfernte er die Dornen, ehe er sie dem Baby gab, das er in seiner Armbeuge trug.
„Eine Rose, mon fils“, erklärte er, als das Baby die Blume schläfrig betrachtete. „Eine, die deiner Großmutter besonders gut gefällt, wie man mir sagte. Sie wird nichts dagegen haben, wenn sie dich jetzt mit dieser sieht, aber später solltest du deine Bälle und Drachen und Wagen aus dieser besonderen Ecke des Gartens heraushalten.“
Michel berührte mit der Rose das winzige Kinn seines Sohnes, und der kleine Alexandre belohnte ihn mit einem Lächeln. Sanft bewegte Michel die Blume vor und zurück. Sein Entzücken war genauso groß wie das des Babys. Er wurde niemals müde, die Welt mit den blauen Augen seines Sohnes zu entdecken. Wenn ihn jemand sah und einen Scherz darüber machte, daß Michel seine eigene Kindheit nachholte, dann lächelte er nur und dankte Gott im stillen dafür, daß
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