Sieg der Liebe
„Er ist gekommen, mein Sohn, so wie wir es geplant hatten! Töte ihn jetzt, das Ungeheuer, das deinen Vater umgebracht hat!“
Jerusa schrak zusammen, als sie sah, wie Michels Hand über den Griff seines Degens glitt. Er konnte ihren Vater innerhalb eines Augenblicks töten. Gabriel stand mit dem Rücken zu ihm, und sie waren knapp drei Fuß voneinander entfernt. Es konnte so schnell geschehen, daß ihr Vater es erst bemerken würde, wenn es zu spät war.
Nein, Michel, bitte nicht, um meinetwillen und um der Liebe willen, die wir füreinander empfinden ....
„Töte Sparhawk, Michel“, schrie Antoinette. „Wenn du mich so liebst wie dein Vater, wirst du Sparhawk töten.“
„Christian Deveaux hat niemand außer sich selbst geliebt“, rief Gabriel. „Er war ein'Ungeheuer, das von Haß und Bosheit beherrscht wurde! “
„Nein!“ Antoinette schüttelte wie wild den Kopf. Sie zitterte am ganzen Körper. Die Laterne entglitt ihr und fiel hinab in den Keller. Sie schlug auf, zersplitterte mit einem Krachen auf dem Grund. Ein Knistern, dann loderte eine helle Flamme von unten empor, wo das Feuer in der Laterne auf trockenes Holz getroffen war.
Aber Antoinette bemerkte davon nichts. Die ersten Tränen liefen über ihr Gesicht. „Nein! Christian hat mich geliebt! Sie haben ihn jahrelang gejagt und wollten ihn vernichten!“ „Deveaux hat damit angefangen, nicht ich“, rief Gabriel. Seine Stimme war rauh, als er sich bemühte, die Wahrheit zu berichten. „Vor vierzig Jahren liebte ich ein Mädchen, Catherine Langley. Als Deveaux unsere Schaluppe kaperte, zwang er mich zuzusehen, wie er Dinge mit ihr tat, die kein Mann einer Frau antun sollte. Als er mit ihr fertig war, überließ er sie seinen Männern und am Ende schließlich den Haien.“
Jerusa hörte entsetzt zu. Das Bekenntnis ihres Vaters erschütterte sie genausosehr wie die Verzweiflung, die noch vierzig Jahre, nachdem er seine erste Liebe verloren hatte, in seinem Gesicht zu sehen war. Sie hatte immer geglaubt, daß ihre Mutter die einzige Frau war, die er je geliebt hatte. Wie, fragte Jerusa sich voller Mitgefühl, ist es ihm wohl gelungen, den Schmerz und die Erinnerung an sein erstes Mädchen so lange in seinem Innern zu verschließen?
„Aber vielleicht hatte meine Catherine noch Glück gehabt“, fuhr er mit erhobener Stimme fort. „Sie hat zwar durch Deveaux’ Hände so sehr leiden müssen, doch ihr Elend endete mit ihrem Tod. Sie mußte nicht mit den Narben leben, die davon zeugten, wie er sie in seiner Verdorbenheit benutzt hat. Nicht wahr, madame ?“
„Christian hat mich geliebt!“ rief Antoinette verzweifelt mit tränenerstickter Stimme. „Wenn ich leiden mußte, war es meine Schuld, nicht seine! Er mußte mich belehren, mich verbessern, damit ich seiner Liebe wert war! “
„Oh, Maman“, flüsterte Michel, als er die Wahrheit erkannte. Jetzt erinnerte er sich an die geflüsterten Geschichten über seinen Vater, die er nie hatte glauben wollen. Michel hatte sich lieber den gutaussehenden, liebenden Gentleman auf dem Porträt über dem Bett seiner Mutter vorstellen wollen. Er dachte an die verblaßten Narben, die ihre Handgelenke umschlossen, und die anderen, die er auf ihrem Rücken gesehen hatte, wenn sie sich ankleidete.
Michel schloß die Augen bei dem Gedanken daran, wie sie sein Leben mit ihrem Wunsch nach Rache bestimmt hatte. Ihre Schönheit, ihr Glück und ihre Liebe waren vor langer Zeit zerstört worden, so wie sie es gesagt hatte.
Aber Gabriel Sparhawk trug keine Schuld daran.
Michel ließ den Schaft seines Degens los, und zum erstenmal fühlte er, wie seine rechte Hand zitterte. Gott helfe ihm, beinahe hätte Michel den schrecklichsten Irrtum seines Lebens begangen, und überwältigt sah er Jerusa an. Sie war alles, was ihm noch geblieben war, sie allein würde seine Rettung sein.
Aber die Gefahr, in der sie schwebte, wurde größer. Graue Rauchwolken stiegen in den Nachthimmel auf, als zum zweitenmal Flammen durch das Haus züngelten. Das Feuer leuchtete hell in den Fenstern, und oben auf der Treppe waren die Umrisse von Jerusa und seiner Mutter deutlich zu erkennen.
„Lassen Sie die Vergangenheit ruhen, madame“, sagte Gabriel. Er hielt den Hut in seiner ausgestreckten Hand und trat auf die erste Stufe, die ihn Antoinette und Jerusa näher brachte. Michel hielt den Atem an und betete, daß seine Mutter zuhören möge. „Lassen Sie nicht zu, daß Deveaux Sie noch länger verletzt.“
„Aber er liebt
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