Sieg der Liebe
mit Christian zu Abend zu essen?
„Maman, ich bin es, Michel.“ Langsam streckte er ihr die Hand entgegen, versuchte, ihr Vertrauen zu gewinnen. Ihre Bewegungen waren schnell und ruckartig, ihr Blick wachsam, und er wußte nicht, was geschehen würde, wenn er sie erschreckte. Er bemerkte, daß sie nach ihrer Tasche tastete. War es nur eine zufällige Geste, oder hatte sie dort etwas versteckt, einen großen Stein oder vielleicht sogar ein Messer? Er durfte kein Risiko eingehen, nicht solange die arme Cecilie Noire zu ihren Füßen kauerte. Lieber Himmel, was hatte seine Mutter ihr nur angetan?
Irgendwo hinter ihm in der Dunkelheit hörte er Joshua zornig und entsetzt fluchen, als auch er Cecilie sah, und Michel spannte jeden Muskel seines Körpers an. Er hoffte, daß der andere nicht gerade jetzt den Helden spielen wollte.
„Christian?“ Antoinettes Stimme zitterte, als sie ihre Hand nach ihm ausstreckte. Die Laterne hing an ihrem Handgelenk. „Ach, Christian, wie gut du heute abend aussiehst!“
„Und du schaust auch ganz bezaubernd aus, Maman“, flüsterte er. Der Abstand zwischen ihnen verringerte sich, und er streckte langsam die andere Hand aus, um ihr das Seil wegzunehmen, mit dem sie Cecilie führte.
Aber plötzlich wich seine Mutter zur Treppe zurück und zerrte Cecilie mit sich. „Du bekommst sie nicht zurück, Michel“, fauchte sie ihn an, als sie ihn endlich erkannte. „Du hast mir die Braut gegeben, und sie gehört mir! “
„Aber du irrst dich, Maman“, sagte er sanft. „Das Mädchen dort ist nicht die Braut. Sie ist nicht einmal eine Sparhawk. Sie ist deine Nichte, Maman, die Tochter deiner Schwester Jeanne.“
„Jeanne?“ Antoinettes Lippen bebten, und Tränen standen in ihren Augen, als sie auf Cecilie hinunterschaute. „Ich habe meine Schwester nicht mehr gesehen, seit ihr Mann mich fortgeschickt hat. Er sagte, ich sei eine Dirne und hätte Schande über meine Schwester gebracht. Er meinte, ich wäre besser im Feuer gestorben, denn für sie war ich schon tot. Du warst alles, was mir geblieben war, Michel. Du allein.“
„Oh, Maman“, sagte Michel mitfühlend. „Meine arme Maman.“
Aber Antoinette hatte ihre Schwester schon vergessen. „Wo ist dann die Braut, Michel?“ fragte seine Mutter klagend. „Du hast versprochen, mir Gabriel Sparhawks Tochter zu bringen. Wo ist sie?“
„Ich bin hier.“ Zu Michels Entsetzen trat Jerusa selbst ins Licht, seiner Mutter näher, als es ihm lieb war. „Schauen Sie mich an, madame. Wenn Sie sich an Gabriel Sparhawk erinnern, müssen Sie mir nur ins Gesicht sehen, um zu wissen, daß ich seine Tochter bin.“
„Heilige Jungfrau Maria, das stimmt“, keuchte Antoinette, als sie Jerusa anblickte. Wie von selbst hatte sie aus dem Französischen ins Englische gewechselt. Um Jerusa zu antworten, hatte sie sich anscheinend an die Sprache erinnert, die sie vor so langer Zeit gelernt hatte, als sie in Noires Bistro gearbeitet hatte. „Sie sind Jerusa Sparhawk!“
Das Seil war vergessen und entglitt Antoinettes Fingern. Leise schrie Cecilie auf und taumelte zur Seite. Michel sah, wie sie weinend in Joshuas Armen zusammenbrach, wie Joshua die Stricke und den Knebel entfernte. Dann klammerten sie sich aneinander, als wollten sie sich nicht mehr trennen.
Jetzt mußte Michel nur noch seine Mutter packen, ohne daß sie benutzte, was immer sie in ihrer Tasche mit sich führte.
„Sie haben Michel aufgefordert, mich hierher zu bringen, und das hat er getan“, sagte Jerusa mit leiser, beruhigender Stimme. „Er hat genau das getan, was Sie wollten, nicht wahr?“
Michel sah Jerusa an, die ruhig dastand und seine arme, verwirrte Mutter tröstete. Eine Welle der Liebe stieg in ihm empor. Was hatte er nur getan, daß er eine so wundervolle Frau verdiente?
„Sie hat recht, Maman“, bestätigte er und blickte Jerusa an. „Ich bin nach Newport gefahren, habe sie beobachtet und den Abend ihrer Hochzeit abgewartet. Dann habe ich sie ihrer Familie und ihrem Bräutigam geraubt und ihnen nichts gelassen als eine Rose und das schwarze Zeichen von Christian Deveaux. Ich habe ihnen Kummer bereitet, Maman, so wie du es gewollt hast, und dann habe ich sie hierher nach Martinique gebracht. “ Jerusa drehte sich zu ihm um. Ihre Augen leuchteten und blickten voller Liebe. Sie liebt mich, staunte er. Mich.
„Ich habe sie hierher gebracht, Maman, genau wie du es gewollt hattest“, sagte er leise. „Alles war so, wie wir es geplant hatten. Fast alles. Nur
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