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Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Titel: Sieh mir beim Sterben zu (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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seine Angst endlich legte und der Adrenalinrausch einsetzte, von dem er so viel gehört hatte.
    «Dann ist dieser Mann also ein ständig besoffener Richter mit Berufsverbot, der sich in der Nacht, als Ihre Braut ertränkt wurde, zufällig am Fluss herumgetrieben und vermutlich die Leiche gesehen hat.»
    «So in etwa», bestätigte Gino vergnügt. Er liebte Verfolgungsjagden, vor allem mit diesem Caddie, selbst wenn sie, wie jetzt, eigentlich gar niemanden verfolgten.
    «Und wieso glauben Sie, dass er den Mörder erkannt hat?»
    Magozzi, der am Steuer saß, wirkte leicht manisch: Die Lichter des Armaturenbretts betonten die Konturen seines Gesichts und offenbarten die Anspannung darin. «Weiß ich auch nicht. Das ist ein bisschen schwer zu erklären.»
    «Haben wir denn irgendeinen Plan?»
    Gino drehte sich zu ihm um. «Natürlich nicht. Pläne machen wir normalerweise erst, wenn alles vorbei ist. Um den Bericht vollzukriegen.»
    Magozzi wich einem blinkenden Warnkegel aus und beförderte sie damit fast auf den Mittelstreifen. «Scheiß-Straßenbau», brummte er völlig unbeeindruckt.
    John zog seinen Gurt ein wenig enger und räusperte sich. «Dann fahren wir jetzt also mitten in der Nacht auf irgendeinen Golfplatz, um einen wahnsinnigen Mörder aufzuhalten, der Ihren saufenden Exrichter umbringen will.»
    Gino fuhr die Rückenlehne ein Stück zurück und grinste. «Na, was sagt man dazu? Da haben wir ja doch einen Plan. Checken Sie nochmal Ihre Waffe, Smith. Sie werden sich nämlich hinter einem Baum verstecken und eventuell jemanden abknallen müssen.»
    «Ich habe aber eigentlich noch nie jemanden erschossen.»
    «Tja, irgendwann ist immer das erste Mal.»
     
    Wild Jim Bukowski, unbeirrbarer Kämpfer für Gesetz und Gerechtigkeit, schlich in den braunen Ugg-Boots, die er immer trug, seit er das alltägliche Leben hinter sich gelassen hatte, über das kurzgeschnittene Gras. Als er eine Grille zirpen hörte, zuckte er zusammen, und als vom Wasserhindernis her der Balzruf eines männlichen Frosches erklang, traf ihn vor Schreck fast der Schlag. Eigentlich hätte er sich gar nicht fürchten dürfen. Er hatte es doch genau so gewollt, genau so geplant; doch jetzt, wo er dem Ziel seiner Reise näher kam, spürte er den beschleunigten Herzschlag der Angst und fragte sich, ob er wohl den nötigen Mut finden würde, um stark zu bleiben.
    In dem sorgsam gepflegten Waldstück rund um das Grün raschelten Blätter. War es der Wind oder ein Mensch? Kurz vor der Flagge blieb er stocksteif stehen, die Ohren erfüllt vom eigenen Herzschlag. Ein leichter Wind kam auf, fuhr mit angstvollem Flüstern durch das Laub und ließ den Blick des Richters im Mondlicht noch durchdringender werden. Es war noch zu früh.
     
    Gino lümmelte nicht mehr zurückgelehnt auf dem Beifahrersitz, sondern saß kerzengerade da und versuchte verzweifelt, dem Navigationssystem des Caddie eine Alternativstrecke zu entlocken, die nicht durch Bauarbeiten blockiert war. Trotz der Klimaanlage standen ihm Schweißperlen auf der Stirn. Ihre Spritztour mit hundertfünfzig Sachen über die Autobahn hatte an der Ausfahrt nach Hiawatha ein jähes Ende gefunden. Die Straße war dort nur einspurig befahrbar, und diese eine Spur war verstopft von den vielen Wagen, die das Spiel der Minnesota Twins gerade ausgespuckt hatte, sowie vom Schutt der Bauarbeiten, die so endlos und allgegenwärtig waren, dass man sie in Minnesota schon als eigene Jahreszeit betrachtete.
    «Verdammt!» Magozzi trat auf die Bremse und kam einen knappen Millimeter hinter der schweren Stoßstange des Geländewagens vor ihm zum Stehen. Smith spürte, wie der Riemen seines Gurts ihm in die Schulter schnitt. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Die Warnlämpchen blinkten vergeblich, und es gab keine Möglichkeit, den Stau zu umgehen, ohne dabei ein paar orange-weiße Tonnen auf die Hörner zu nehmen. «Wie viel Zeit haben wir noch, Gino?»
    «Eine Viertelstunde, und die beschissenen Bauarbeiten gehen noch bis Hiawatha weiter. Scheiße nochmal, das schaffen wir nie. Nimm die nächste Ausfahrt rechts, die bringt uns wieder zur …»
    Magozzi riss das Steuer scharf herum, trat das Gaspedal durch und lenkte den Caddie auf den rechten Seitenstreifen, durch einen Hindernisparcours aus Warnkegeln und -tonnen, von denen etliche der guten Sache zum Opfer fielen.
    «Mein Gott, Leo! Die halbe Straße ist aufgerissen …»
    Man hörte ein markerschütterndes Knirschen, als der Caddie über eine Lücke im

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