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Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Titel: Sieh mir beim Sterben zu (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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weißen Kondensstreifen beobachtete, die den blauen Himmel über ihm zierten, konnte er sich trotzdem nicht von der Überzeugung freimachen, dass jedes Flugzeug, das er bestieg, umgehend abstürzen würde. Schlimmer noch: Es würde nicht einfach nur kurz und schmerzlos abstürzen, sondern dafür eine Ewigkeit brauchen, damit er auch Zeit genug hatte, vor Angst umzukommen, ehe er tatsächlich starb.
    Diese Angst war ihm selbst ein Rätsel. Er fürchtete sich weder vor schnellen Verfolgungsjagden und Zusammenstößen mit bewaffneten Schwerverbrechern noch vor dem Schlichten eines gewalttätigen Ehekrachs. Doch sobald er einfach nur dasaß und sich anhören musste, wie diese schwächlichen kleinen Metallröhren dröhnend über dem Terminal abhoben, brach ihm der kalte Schweiß aus.
    Bei seinem ersten Flug als junger Mann hatte er im Flieger gesessen und all die anderen Passagiere gemustert, die in ihren Zeitschriften blätterten, plauderten und lachten und sich offensichtlich kein bisschen unwohl dabei fühlten, gleich in einer mit vielen tausend Litern explosiven Treibstoffs gefüllten Rakete in die Luft geschossen zu werden. Wenn sie das alle in Ordnung fanden, musste es ja wohl auch in Ordnung sein. Doch dann durchschaute der väterliche Herr neben ihm seine brüchig zur Schau getragene Gleichgültigkeit und tätschelte ihm die Hand. «Mir macht Fliegen auch eine Heidenangst, Junge», hatte er gesagt, und Frost war klar geworden, dass auch die anderen Passagiere alle nur schauspielerten, dass sie nur so taten, als hielten sie Flugzeuge für flugtauglich, obwohl sie ganz genau wussten, dass sie abstürzen würden. Seither traute er den Menschen nicht mehr und den Flugzeugen erst recht nicht.
    «Sie sind aber ziemlich bleich, Chief.» Theo hatte sich neben ihn gesetzt und stützte seine messerscharfen Ellbogen auf die kaum vorhandenen Oberschenkel. Eigentlich ein Wunder, dass sie ihm das bisschen Fleisch nicht gleich vom Knochen trennten.
    «Ich fühle mich nicht besonders wohl an Flughäfen.»
    «Ich auch nicht. Ich hasse Fliegen. Da behaupten immer alle, Fallschirmspringen wäre so ein wahnsinnig machomäßiger Adrenalinbooster. Ich fand es eigentlich immer schon viel logischer, aus einem Flugzeug rauszuspringen, als drin zu bleiben.»
    «Ach ja?»
    «Ja. Huttingers Flug ist nach wie vor pünktlich. Er dürfte in der nächsten Viertelstunde landen. Das mit dem Sicherheitscheck habe ich auch geregelt, falls Sie schon zum Gate wollen.»
    «Jetzt noch nicht.»
    Theo zückte sein Notizbuch. «Ich habe bei Ginny angerufen. Sie stellen immer noch das Haus auf den Kopf, zusammen mit den hiesigen FBI-Agenten. Den Computer haben sie gleich beschlagnahmt und an die Abteilung für Cyberkriminalität geschickt, aber ein Notebook haben sie bisher nicht finden können.»
    «Dann hat er das wohl dabei.»
    «Und wir haben einen Durchsuchungsbeschluss.» Theo grinste. «Der Richter meinte, wenn wir wollen, können wir ihm sogar mit dem Schlagbohrer in den Nasenlöchern wühlen.»
    Frost musterte ihn erstaunt. «Das hat Richter Krinnen gesagt?»
    «Ehrlich gesagt habe ich die ganz krassen Formulierungen sogar noch weggelassen. Ich sag Ihnen, der Mann hat mich echt erstaunt. Er ist mindestens tausend Jahre alt und spricht so sanft wie ein kleines Mädchen, aber er hat mir eine Heidenangst gemacht. Hat er Ihnen schon mal seine Waffensammlung gezeigt?»
    «Ich wusste nicht mal, dass er eine hat.»
    «Hemingway hätte sich alle zehn Finger danach geleckt, und der Richter hätte mir am liebsten jede einzeln gezeigt und mir ganz genau erklärt, was er Clinton Huttinger damit antun wird, wenn ihm der Kerl je vor die Flinte läuft.»
    Chief Frost seufzte, erhob sich schwerfällig von dem harten Plastikstuhl und rückte seinen Uniformgürtel zurecht. «Kann ich ihm nicht mal vorwerfen. Ich würde den Dreckskerl ja selbst am liebsten um die Ecke bringen.»
    Verdammt, das hätte er jetzt nicht sagen sollen. So einen Luxus durfte man sich als Polizist nicht leisten, wenn man gerade im Begriff war, einen Verdächtigen festzunehmen, der die Frau, in die man vor zwanzig Jahren verliebt gewesen war, fast umgebracht hatte. Von einem Vergehen wie Polizeigewalt erholte sich keine Karriere jemals wieder. Das stand für immer in der Personalakte, schwarz auf weiß, und manchmal – Gott bewahre! – gab es dem Verdächtigen sogar noch einen Klagegrund an die Hand und führte zu einem Freispruch. Jetzt würde er so richtig schleimen und Huttinger

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