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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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Namenstag. Das ergibt eine sehr lange Prozession, da jeder Mann und jeder Hund in Andrano Rocco heißen. Ich wünschte nur, man würde die Hunde mit demselben Respekt behandeln wie die Heiligen.
    Ich habe drei Freunde in Andrano, die Rocco Panico heißen, und alle drei sind Cousins. Um sie voneinander zu unterscheiden, nennt man sie Rocco ingegnere – Rocco, den Ingenieur -, Rocco geometra – Rocco, den Vermessungstechniker – und Rocco professore – Rocco, den Lehrer. Alle drei kamen zu unserer Hochzeit, zusammen mit anderen Gästen mit denselben Namen. Ich überlegte schon, Steuernummern auf die Sitzordnung zu schreiben. Und das ist gar nicht mal so absurd, wie es klingt: Auf den hiesigen Wahlzetteln stehen die Spitznamen der Kandidaten, damit die Wähler sie auseinanderhalten können. Denken Sie nur an den armen Postboten in einem Ort, in dem die Häuser zwar unterschiedliche Adressen, ihre Bewohner aber dieselben Namen haben. Kein Wunder, dass die Zustellung so lange dauert. Man sollte den Postsack mit den eingehenden Briefen einfach auf die Piazza stellen und die Einheimischen ihre Post selbst sortieren lassen.
    Nach einem Dutzend fehlgeschlagener Versuche, die Harfenistin aufzutreiben – was unter anderem erforderte, dass man Wildfremde besuchte, nur um zu fragen, ob jemand im Haus zufällig Harfe spiele -, fand Daniela eine alte Frau, die sagte, sie kenne einen Musiklehrer mit diesem Namen, der am Ende der Straße wohne. Vielleicht spiele dessen Tochter ja Harfe? »Ich habe zwar nie Musik aus dem Haus kommen gehört«, erzählte sie Daniela, »aber die Harfe ist ja ein sehr leises Instrument.«
    Die Frau bot freundlicherweise an, hinzugehen und nachzufragen, und rief uns dann am Abend mit der frohen Botschaft zurück, dass sie unsere Harfenistin gefunden hatte. Daniela war ihr so dankbar, dass ich schon fürchtete, sie würde sie auch noch auf unsere Hochzeit einladen. Als sie erfuhr, dass die Familie als eine von wenigen in ganz Italien keinen Festanschluss besaß, notierte sie die Handynummer der Harfenistin. Wie sich herausstellte, gab es in dem winzigen Ort also zweiundvierzig Rizzos statt nur einundvierzig, wie im Telefonbuch angegeben. Selbst wenn wir alle durchtelefoniert hätten, hätten wir die Rizzos, die wir suchten, niemals gefunden. Nach so einer komplizierten Suche konnte ich den lieben Gott, oder besser noch San Rocco, nur anflehen, dass sie eine gute Harfenistin war.
     
    Die Vorbereitungen für unsere Hochzeit waren beinahe abgeschlossen. Jetzt blieb nur noch der Papierkram übrig, den das municipio übernahm. Dort unterschrieben Daniela und ich ein Dokument, mit dem wir bestätigten, dass wir nicht miteinander verwandt waren und unsere Ehe rechtmäßig sei. Anschließend hängte Andranos Rathausangestellter Paolo, ein Hobbybauer mit viel Salento unter seinen Fingernägeln, das Aufgebot aus, natürlich nicht, ohne es mit den geforderten Steuermarken zu verzieren. Die Bevölkerung hatte acht Tage Zeit, um Einspruch zu erheben.
    Während dieser acht Tage ging ich oft am Rathaus vorbei, um einen Aushang zu sehen, gegen den ich vor wenigen Jahren noch selbst Einspruch eingelegt hätte – damals, als Italien noch das herrliche Land der Kirchen und Caravaggios war und ich noch in eine andere Frau, meine Exfreundin, verliebt war. Wir hatten uns auf der Uni kennengelernt und besaßen viele gemeinsame Interessen, einschließlich dem für Italien, ein Land, das wir wenige Tage vor unserer Trennung noch gemeinsam bereist hatten.
    Als sie mich bald darauf in einem winzigen französischen Dorf verließ, rechnete ich mit einer langen Phase aus Selbstmitleid und geringem Selbstwertgefühl. Aber dann fuhr ich nach Irland, und der dortige Sinn für Humor war Balsam für meine Seele und trivialisierte meine Trauer. Ich fand Trost in angeregten Gesprächen, leeren Gläsern und vollen Aschenbechern. Niemand kannte mich, niemand fragte, was mit mir los war, und das Trauma meiner Trennung begann sich früher zu verflüchtigen als erhofft. Vielleicht war ich auch einfach nur zu betrunken, um mich noch groß daran zu erinnern.
    Obwohl auch Daniela das Herz schwer war, wegen der Krankheit ihres Vaters, schaffte sie es trotzdem, ein wenig Mittelmeersonne in das düstere Dublin zu bringen. Das Schicksal und getrennte Taxis brachten uns am selben Abend in denselben Pub, wo ich mich um ihr Glas und sie sich um mein verwundetes Herz kümmerte. Vielleicht war sie eine Abgesandte San Roccos und selbst eine

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