Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Wundheilerin. Doch als ich ihr damals Fragen stellte, die sie mir nur mithilfe eines Taschenwörterbuchs beantworten konnte, wusste ich noch nicht, wer San Rocco ist, genauso wenig wie ich wusste, dass wir einst in einer Stadt heiraten würden, von der ich noch nie etwas gehört hatte, die mir aber schon bald zur zweiten Heimat werden sollte.
Zwei Jahre später bedeutete die Anmeldung unserer Hochzeit im Rathaus von Andrano mehr als nur eine juristische Formalität. Sie markierte das Ende einer schwierigen Zeit und hoffentlich auch den Beginn einer zärtlichen Zukunft. Jedes Mal, wenn ich den Aushang las, fielen mir weitere Episoden meines Lebens in Italien ein: Die Höhen und Tiefen, die ich erlebt hatte, weil ich alles auf eine Karte gesetzt, meine Koffer gepackt, die Sprache, Land und Leute, ja sogar meinen Namen eingetauscht hatte. Höhen und Tiefen würde es zweifellos auch nach unserer Hochzeit geben. Barzini, den ich während des Flugs nach Italien gelesen hatte, hatte mich schließlich gewarnt, als er schrieb, dass die Ehe unser Verderben wäre und mich Daniela als meine Ehefrau »unter Umständen in Verruf und ins Unglück brächte«. Aber warum sollte dann noch jemand die Aufforderung auf dem Aushang ernstnehmen und Einspruch gegen die von uns angekündigte Ehe erheben? Alle, die uns nichts Gutes wünschten, täten besser daran, uns sehenden Auges in eine unglückliche Zukunft rennen zu lassen.
Danielas und mein Name auf dem Aushang waren eine merkwürdige Kombination. Ihrer steckte voller Vokale und meiner voller Konsonanten – denn er war zur Abwechslung endlich einmal richtig geschrieben. Wie Andrano und Sydney trennten auch uns Welten, und jede Brücke, die beides verbindet, kann eines Tages Ermüdungserscheinungen zeigen. Wichtige Entscheidungen mussten gefällt werden, zum Beispiel die, wo wir uns endgültig niederlassen würden. Nicht in welcher Stadt, sondern in welchem Land. Daniela hatte einen festen Job und eine ansehnliche Pension zu erwarten. Aber wenn sie die beziehen wollte, bedeutete das, in Italien zu bleiben, was ich mir auf Dauer nicht vorstellen konnte. Meine Liebe zu Daniela war grenzenlos, aber meine Liebe zu ihrem Land war es nicht.
Barzini hatte Unrecht, mich vor Daniela zu warnen, aber Recht, als er mich vor Italien warnte. Mir hatte das Land besser gefallen, als ich nur wegen Kunst und Eiscreme hergekommen war. Jetzt, wo ich dort lebte, konnte ich auf viele Aspekte des italienischen Alltags gut verzichten. Ich werde diese Art zu leben nie verstehen, genausowenig wie ich es verstehen werde, dass die Liebe zu einer Italienerin alle Fehler dieser Nation locker wieder wettmachen kann. Warum zieht es mich nur so in dieses hoffnungslose Land, obwohl ich jede Menge Gründe wüsste, es nie wieder zu betreten? Wird es vielleicht erst durch seine Fehler perfekt?
Aber ich fragte mich auch, ob es nicht vielleicht ein Fehler war, jemanden aus einem Land zu heiraten, das ich heute liebte und morgen verachtete. Vielleicht war Liebe nicht die einzige Voraussetzung für eine Ehe, und ich sollte lieber erst mal das Organisatorische regeln. Ich bekam es mit der Angst: Meine Eltern packten bereits die Koffer in Sydney, und ich überdachte meine Eheschließung in Italien. Meine Sorgen waren wie hässliche Wolken, die sich plötzlich vor einen strahlenden Sonnenaufgang schieben. Aber waren diese Wolken Tatsachen oder nur Einbildung? »Einbildung«, meinte Renato, der mich nach Tricase mitnahm und zum Tennisspielen verdonnerte, um mich abzulenken.
Die acht Tage vergingen äußerst langsam, und nur in meiner Einbildung erhob ich von Zeit zu Zeit Einspruch gegen diese Ehe.
Die exklusive Villa La Tenuta Lucagiovanni außerhalb von Maglie war eine teure Wahl für unser Hochzeitsfest. Valeria bestand darauf, dass Franco keine Kosten gescheut hätte, wenn es um die Hochzeit seiner Tochter ging. Und da sie diejenige war, die zahlte, wäre es unhöflich gewesen abzulehnen. Je näher der große Tag rückte, desto mehr schien Danielas Mutter ihren Widerstand gegen die nichtkirchliche Trauung zu vergessen, ja, sie begann sogar, sich für die Zeremonie zu begeistern. Ich glaube, sie war stolz auf unsere Sturheit, denn für eine Sizilianerin ist das ein mehr als grandioser Charakterzug.
Nach anfänglichem Protest überließ es Valeria Daniela und mir, die Zeremonie zu organisieren. Deshalb überließ ich es ihr und Daniela, das Fest zu planen. Was mich betraf, war es ihr Abend, vorausgesetzt, der
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